Missionen, digitale…. Part II

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(Eine ausufernde Antwort auf den Kommentar zum Blogpost Missionen, digitale…. Das reicht auch für einen eigenen Beitrag, wenn schon, kostet nix und hält bei guter Laune!)

„Schade, dass Sie in Ihrem Beitrag nicht auf Ihre Erfahrungen der Partizipation im Theater eingegangen sind, bestimmt hätte das die Diskussion und den Erfahrungsaustausch noch weiter angeregt. Vielleicht haben Sie bei Gelegenheit hierzu noch Ergänzungen für den Austausch zur #BesucherMacht.“

Schreibt das Blog “Marta Herfort“ an das Ende eines Kommentars zu meinem Beitrag der Blogparade #BesucherMacht aus gleichnamigen Museum. Siehe hier: Missionen, digitale…

Na dann! Als passiver Altersteilzeitler mit schleichendem Übergang in die Rente wollte ich meine alte Liebe zum Theater wieder aufnehmen und fand im Nationaltheater unserer Nachbarstadt Mannheim in 20 min Straßenbahnnähe interessante Dinge. Das Theater leistet sich eine ganze Sparte zur Partizipation: „Die Bürgerbühne.“ Man nimmt das wirklich ernst, als theatrale Komponente, nicht als sekundären Anhang, als pures Marketing-Objekt oder Pädagogik! Finde ich immer noch mutig. Siehe die Linkliste der Website!

Screenshot der Website des Nationaltheaters Mannheim.
Screenshot der Website des Nationaltheaters Mannheim.

Bürgerbühne bedeutet dort: Laie trifft auf Profi und sie machen etwas zusammen.
In Workshops, Spielclubs kann man tanzen, spielen, gemeinsam Stücke ansehen und besprechen, alles spartenübergreifend, auch für Kinder und Jugendliche. In den Inszenierungen der Bürgerbühne gibt das Theater ein Thema vor, man sucht dazu Menschen, castet und führt Regie. Nämlich: Die Story aus dem Leben der „Darsteller“, vom Regieteam in literarische Sprache gebracht, dramatisch umgesetzt und hier auch als Inszenierung im Spielplan des Schauspiels verankert und verkauft, wie den Schiller oder Verdi auch. Oder aber von der Oper & spartenübergreifend das Geräuschorchester. Der erste Versuch “Geräuschorchester #1″ – Mannheimer Bürgerbühne” war durchaus beeindruckend siehe hier den Trailer auf Youtube. Das ergibt dann durchaus „Theater“, ich besuchte eben gerade die laufende Produktion „High-Voltage“, bei der ein „Kollege“ aus dem Marketing-Club mitmacht. Das ist sehr ordentlich gemacht! (Empfehlung!).
Das ist geerdetes Theater mit Anspruch! Community-Bildung, letztendlich auch Kundenbindung. Win-Win. Da gibt es keine postdramatischen Halbgötter, die Abonnenten durch die 4. Wand zerren um sie auf der Bühne mit Brecht zu Shakespeare remixen, es ist eine theatralische Annäherung von beiden Seiten der 4. Wand.
Worauf ich hinaus will! Das Besondere daran: Man macht etwas zusammen! Da gibt es keine „Besuchermacht und Kämpfe“, die Deutungshoheiten im Theater intern kann ich nur ahnen …
Das ist alles Top-Down, aber wer weiß, vielleicht gibt es auch einmal Bottom-up? Nein, über Aufführungspraxis würde ich mich ungern streiten oder im Museum über „Ist das Kunst, oder kann das weg?”. Nein, nein.
[Off topic: Um das einmal ironisch an die vielen medialen Sozialisten in meinen Timelines zu melden, die sich mühen müssen für ihre Kunden: Das Theater hat Contentmaschinen (man nannte sie früher Autoren) seit Jahrhunderten und Storytelling? Hahaha, Theater ist seit Jahrtausenden multimediales Storytelling, mal daran gedacht? Die Auszubildenden von DM machen irgendwie Theaterworkshops mit z.B. …Ähm, sorry, geht ja schon weiter.]
Deren Bürgerbühnen, Volksbühnen & Cie gibt es viele und also gab es in Mannheim das 2. Bürgerbühnenfestivalsiehe Nachtkrikik.de (“Ermächtigung als ästhetische Praxis” :) . Konsequent lud die Marketingabteilung zu einem Marketing-Club (die Originallinks des Theaters sind wohl im Relaunch der Seite ertrunken), der da hieß: „Club der Mouseclicker- und Face-to-Face-Blicker“. Ja, das ist ein Name :)
Meine Erfahrungen habe ich direkt anschließend hier beschrieben. Gilt nachzutragen, dass für die Marketing-Profis das Gehetzte in das nächste Festival bereits begonnen hatte und doch zwei zauberhafte #schiller2go Walk & Music bereitstellte. Längst vor dem Städel hier bereits die Idee nicht nur Twitter, sondern auch Facebook, Instagramm & Co mit einzubeziehen. Ein Schillerfestival im Social Media, wenn das nix ist. Und ja, den Club, den ich für diese Spielzeit gebucht hatte, hier lyrisch verortet, verließ ich dramatisch wegen Inkompatibilitäten mit anderen Mitgliedern. Die Kritiken des Abgangs waren nicht immer gut. :) Ich erwähne das nur, damit mir klar ist, dass solche Dinge gruppendynamisch nicht immer einfach sind. Also Warnung für das Kommende.
Ja, Tanja, der Hinweis auf den Link hätte genügt, aber ich hatte urplötzlich Ideen, als der Kommentar von „Marta Herford“ kam. Übrigens sehr gelächelt über die unkonventionelle Namensgebung. Das sind unangeforderte, selbstfahrende Ego-Brainstormings:)

Assoziation 1:
Meine erstmalige eigene, nicht verschulte Begegnung mit Kunst hatte ich überwältigend als Grundwehrdienstler in Kassel während der Dokumenta 5., siehe hier. Die Orangerie in der Kasseler Aue war damals ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, wie es sie zu Tausenden in der alten Republik gab, mit Matratzen & @all. In einer dieser spontanen Diskussionen zur Dokumenta, ob sie denn revolutionär genug wäre oder doch nur eine Ausgeburt des reaktionären und imperialistischen über dreißigjährigen Establishments sagte ein Mädchen (11. Klasse sintemals). „Für mich sind Museen Wohnzimmer für alle, wo auch den Werktätigen, wie uns (ihr Vater war Prof. :) ) Kunst zugänglich ist. Freier Eintritt für alle!“ … Wohnzimmer!

Assoziation 2:

Jacques Outin, begnadeter Lyriker und Mensch, mit dem ich im gleichen Verein auch schon las, vermacht seine Sammlung der Kunsthalle Mannheim (der medial gebeutelten, wg. Direktor, Loch und Neubau) und im Vorgriff darauf gab es eine doppelt kuratierte Ausstellung. Ein Teil Jacques, ein Teil der Kunsthallen-Moderator. Für mich eine faszinierende Ausstellung, weil eben auch die Distanz zum Privaten gebrochen war, ein nicht-bildender Künstler auch sein Ego mitkuratierte …. privat und museumskuratiert.

Assoziation 3:

Mir geht es dabei, wie so oft, vor allem um die Gespräche über Kunst und zu Kunst, mit Künstlern etc., auch von Nichtprofis. Das täte allen Premierenfeiern und Vernissagen gut, wo zu meist nur in den eigenen Kreisen geredet wird, kaum durchmischt wird. Was sagt man auch zum anwesenden Künstler, außer „Gefällt mir, #iLike“ oder gar zu einer noch ausgepumpten Schauspielerin? Das hat so oft den Geschmack von „Elternabend” …#ächzt

Ihr wisst, was jetzt kommt. Mein Vorschlag und ich weiß noch nicht einmal, ob der neu ist. Das muss nicht Bürgermuseum heißen. #besuchermacht wäre für meine Begriffe dann ein ganz hervorragender Slogan. Einfach ‘mal machen, sich trauen. Ein Wohnzimmer in einer Ausstellung, ZUSAMMEN kuratiert, von gecasteten „Bürgern“ und den Profis. Wenn ich die Gesellschafterliste des Marta so durchlese, gäbe es ganz transparent auch die Möglichkeit das „Wohnzimmer“ mit zu designen. #zaunpfahl. Lokal und vor Ort. Theater und Museum eint, dass da Mensch hingehen muss, um das Original zu erleben. Keine digitale Sammlung, kein Livestream wird es wirklich wiedergeben können, was nicht heißt, man solle das nicht machen, das ist als Ergänzung bestimmt sehr nützlich. #besuchermacht als Prozess, einmalig zu einer bestimmten Ausstellung, als wandelnde Dauerausstellung und innerhalb des Museums als etablierte, budgetierte Abteilung, oder wie das da heißt.

Nur so mein Senf …

Und wegen der Digitalität: Warum gibt es keine Online-Abteilung eines etablierten Museums, das angekaufte Online-Kunst als Exponate im Netz und vielleicht im Museum zeigt? So viele Videokünstler und andere es gibt! Möge die Macht mit ihnen sein oder das Auftragswerk … :))

Ein Gedanke zu „Missionen, digitale…. Part II“

  1. Lieber Mikel Bower,

    vielen Dank für den schon zweiten Beitrag „Missionen, digitale… Part II“, der mit Ihren thematisch passenden Erfahrungen und Assoziationen unsere Blogparade #BesucherMacht aufgreift.

    Der Ansatz der Mannheimer Bürgerbühne, Partizipation zu einem integralen Bestandteil des Theaters zu machen ist sehr interessant, auch weil er zeigt, wie Partizipation außerhalb des Museums funktioniert oder funktionieren kann. Unser Gründungsdirektor Jan Hoet hat bereits vor knapp 30 Jahren mit dem Projekt „Chambres d’amis“ die Kunst im wortwörtlichen Sinne in 60 private Wohnzimmer einziehen lassen und riss damit die Grenzen zwischen Besuchern und Ausstellungsmachern ein: Dies ins Digitale und die sozialen Netzwerke zu verlagern und so auch räumlich unbeschränkt zu machen, ist wünschenswert, lassen Urheber- und Bildrechte jedoch (noch) nicht zu : http://www.bildkunst.de/urheberrecht/wissensquiz-urheberrecht.html

    Vielen Dank für den Input für unsere Diskussion zu #BesucherMacht, es ist immer wieder aufschlussreich dies aus Besuchersicht zu sehen und auch den Bezug zu anderen Kultureinrichtungen herzustellen – hier kann einander inspiriert werden.

    Viele Grüße vom Marta Herford

    P.S.:Unsere Gesellschafter sind großartige finanzielle Unterstützer, aber sie waren und werden nicht zu „Mitkuratoren“ unserer Ausstellungen – anders als der Besucher ;) .

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