Kommen

Ich stieg von meinem Schmetterling und schrie.
Man konnte Schmetterlinge nicht reiten, ich wusste das. Sie sind zu klein, das ist physikalischer Unfug. Und doch ritt ich sie jeden ersten Donnerstag im Monat wieder. Die Elfe kam, schlief mit mir und dann ritten wir auf einem Schmetterling nach Paris. Frühstücken. Es war vollkommen egal, dass es schon Nacht wurde, wenn wir ankamen, wir frühstückten.
Ich konnte meine Elfe nicht fragen, warum wir frühstückten, meine Elfe sprach nur elfisch. Eine pseudohimmlische Sprache, dem indischen KurFinnisch verwandt, wie es auch die Trollochsen singen, ein hohes Trällern, wie das Lachen der Wasserfälle, wenn sie menstruieren. Wir verstanden uns auch so. Ich wollte sie auch nicht fragen. Warum sollte ich eine Weslein befragen, das es nicht gibt? Ich bitte sie, das widerspricht doch jeder Logik, der wir doch alle täglich dreimal huldigen, sie anbeten um sie dann zu verraten, drei mal, wie es der Brauch ist.

Ich meine, sie und ich wir wissen ganz genau, dass es keine Elfen gibt und doch kam ein solches nicht angefordertes Etwas, jeden ersten Donnerstag in mein Bett und trällerte. Zu was, zu welchem Zweck? Sie kam wohl, um zu kommen. Ich weiß auch nicht, ob Elfen vielleicht nur Donnerstags konnten, gar nur einmal im Monat, ich wusste nicht, wie sie kam, woher sie kam, warum sie kam. Sie kam nur, um zu kommen. Ich kam auch und das bei meinem vorgerückten Alter. Nicht zu früh, nicht zu spät, ohne diese blauen Hilfsgüter, die uns wieder zu Vätern pressen wollen, als ob wir unser Soll nachträglich erfüllen müssten. Ich kam genau richtig, zur richtigen Zeit, in der richtigen Intensität. Mit einem Male wusste ich, warum man Höhepunkt dazu sagt. Es war einfach der Höhepunkt, meiner, ihrer, exakt austariert, exaltiert, mit genau der richtigen Anzahl an Bewegungen der gerade richtigen Körperteile.

Nicht zu hoch, nicht zu tief, einfach genau der Punkt, den wohl der schöpfende Mathematiker so errechnet hatte. Alles war genau richtig und wir verkehrten mit Schutz. Wir benutzten durchsichtige Blätter von Bananenstauden im BonsaiFormat, die immer Donnerstags im Spülbecken wuchsen. Perfekt gerollt, elfisch gehandelt, passform genau und unspürbar. Die Bananen verspeiste die Elfe im Vorspann, wie um zu üben, Zungenfertigkeit zu trainieren, vielleicht auch, um Geschmack zu tanken, Geschmack zu finden.

Falls es sie wirklich interessiert: Es lief alles biologisch genau so ab, wie es uns die Natur lehrt, seit Jahrtausenden. Alle Funktionen waren wie bei uns allen ausgearbeitet, den Weibchen unter uns natürlich, alles schien vollkommen gewöhnlich, außer der Perfektion, nicht nur im praktischen Teil des Aktes, den sie ja alle zur Genüge kennen, wir müssen das hier und jetzt wohl nicht vertiefen. Nein, das war jetzt keine Anspielung, es kommen keine Stellen. Wozu auch, sie kennen sie doch alle, ich meine die Stellen, sie wissen doch wie das geht, notfalls fragen sie ihren Schamanen oder Dealer, der euch beipackt.

Es war keine tiefe Befriedigung, wie sie vielleicht einmal im Leben sich ergießt in das Kommen an sich. Kennen sie nicht? Dann kommt es vielleicht noch, es kommt eigentlich immer, es kommt wie gesagt. Aber ES war immer befriedigend, nicht zu viel, nicht zu wenig, genau die Menge an Befriedigung, die man erwarten könnte, aber selbst die oft nicht erreicht wird. Eine selbstlose Befriedigung war es, eine die auf die exakte Menge sich konzentrierte, nicht nur des partnerschaftlichen Gegenübers willen, nein auch für sich selbst. Eine Befriedigung, wie sie vielleicht Gartenzwerge erleben, wenn die Vögel des Waldes sie von Blattläusen befreien und dabei versehentlich ihre Geschlechtsbärte kitzeln, bis ihr nicht vorhandenes Gehirn explodiert. (Fußzehnote: Ich weiß, das ist unliterarisch im Sinne eines germanistischen Oberseminars, das aber nie diese Befriedigung verschafft, wie wir sie meinen, neu kennenlernten, also ist die Literarisierung der Gartenzwerge als Zeugen einer treudeutschen Befriedigungstheorie wohl statthaft, wenn Elfen als Betrachtungsobjekt sich materialisieren.)

Und dann streichelte sie immer meine Schmetterlinge im Bauch, sie kennen das ja. Wenn ES gekommen war und der Höhepunkt erreicht. Schmetterlinge im Wanst. Jeder hatte die Dinger schon einmal im Bauch, keiner weiß, woher sie kommen, wie sie sich wieder verflüchtigen, im übrigen ist auch keineswegs geklärt, wozu sie überhaupt gut sind, weil Mensch eigentlich ganz gut ohne auskommt, Schmetterlinge meine ich, wobei sie nicht nur nützlich sich zum Wohlbefinden ergötzen. Und plötzlich saß dann einer in der Badewanne, abflugbereit, vollgetankt mit Nektar, ich bekam nie mit, wie dies vonstatten ging. Es musste wohl Nektar sein, denke ich mir so, was sonst tanken Schmetterlinge, oder waren sie voll des Kommens, das sie gerade nur Zentimeter entfernt erleben durften. Nein, wir besprechen jetzt weder die Konsistenz, noch die Menge, noch Farbe oder Geschmack der kommensbegleitenden, körperimmanenten Flüssigkeiten, die dabei das Dasein mit ihrer Erscheinung bereichern. Nein, die Erwähnung der selben reicht wohl der erlesenen Leserschaft, die belesen dem Fortgang des Geschehens harrt.

Der Rest ist einfach. Sie sind doch auch schon geflogen. Man setzt sich, man parliert und wird geflogen, manchmal sieht man Rübenäcker durch die Wolken blinzeln, oder die Wolken türmen sich zu Schlössern oder Wassermelonen, je nach Laune. Fragen sie mich nicht, warum ich nicht fror. Wir flogen eben. Nicht zu dem Paris, das sich um die PalastPräsidentschaft räkelt, es war das Paris der Werbemüller, der Schlagerhuster, der Kitschspritzer. Wir frühstückten unter den Brücken von Paris zum Geleiere der Quetschkommoden, reimten zusammen, was besser ungereimt geblieben wäre, natürlich dieses Weißbrot, das zum Abgrund der Klischees gehörte samt dem Käse, den wir redeten und der Salami in große Tassen getunkt, die man seit Jahrhunderten mit einer milchigen Flüssigkeit füllt, die hier Kaffee ersetzen soll, in jener Stadt aus ungeschütztem Wollen und normalerweise würde ich dann alleine zurückfliegen, den Schmetterling im Bauch parken und lachen, weil ich sonst nicht wusste, wie in mein kleines Seelchen zukehren, aber heute, heute MUSSTE ich fragen, wollte wissen und sang in der Sprache meiner Mutter samt deren Großmutter:
„Sachemol, konnschd Du ma neddemol saache, was do geit, hei bin isch donn blouß in dabbische Lova, den Du Dunnschdags ins Bett schlaafschd un zureschd schdebblschd, saache mol was geid donn do? Mondschde ned, du kennschd ma endlisch moll wenigschdens doin Nome ssache, du komischer Geischd, orra was zum Deifl bischde donn eigendlisch? Isch konn nemme sou weira mache, vaschdeischde, isch bin doch bloß in Mensch, wonn waaschd, was isch moon“. Faschd hewwischs gekrische, enaus gekrische in die Weld, wu isch oam erschde Dunnaschdags ned vaschdei.

Sie guckt misch oa, drällert und sescht blous oa Word, uf kurpälzisch, dass ischs aa innewennisch vaschdei, ich hebb des glei gschbiad.

„Männa“.

Ich stieg ab und schrie, sie verschwand samt Schmetterling in meinem Bauch.

„Männa“, schmatzte es.