Amateurlaie

(Aus 4/2006 #ausgruenden neu betitelt und aktualisiert)

Wir sind doch alle Amateure. Banausen. Kostverächter. Schweine, vor die man Perlen kippt. Es kommt nur auf das Sujet an, die Sparte, den Gegenstand, das Medium oder was auch immer. Nur die intensive Beschäftigung mit etwas führt in die Tiefen des Dings an sich oder die Höhen des Erlebnisses desselben. Nur wer selbst Fußball gespielt hat kann die „Feinheiten“ eines Spiels, einer Taktik, einer Spielerpersönlichkeit wirklich beurteilen. Nur wer wenigstens ein Instrument soweit beherrscht, dass er „vom Blatt“ spielt, kann wirklich erahnen, was hinter den Noten steht, die Struktur genießen, Zusammenhänge hören. Es dauert lange, bis man sich an lyrischen Feinheiten delektieren kann, sich fallen lassen kann in Bilder, jenseits der Metrik, man sollte sich durchgefressen haben durch die alten Schinken, die Jamben gezählt haben, die Silben, die Zeilen. Ist es nicht unabdingbar wenigstens zu wissen, wie eine Leinwand grundiert wird, welche Pigmente der Markt hergibt, hergab, um eine Gemälde ernsthaft betrachten zu können? Muss man nicht die philosophischen Grundlagen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik verinnerlicht haben, um die Raffinesse eines neuen Motordesigns würdigen zu können? Ist es nicht unbedingt notwendig die geschichtlichen Verästelungen der Makroökonomie verinnerlicht zu haben, um die Kurssprünge der Dax-Aktien mit Vergnügen kommentieren zu können?

Muss man nicht unendlich viele Seminare besucht, Bücher gelesen haben, Zeitschriften durchwühlt, Szenen durchgessen haben, um kompetent über die neue Variation von Spargelsalat parlieren zu können, während das richtige Löffelchen an das vorgeschriebene Gläschen tippt, in dem sich der einzig wahre Wein befindet, der nussig-mandarin daherströmt?
So. Und alle anderen? Also alle! Denn wer ist denn wirklich ÜBERALL kompetent, siehe unserer aller Quizfimmel. Das treibt mich schon eine Weile um, das Thema. Der Amateur, das unbekannte Wesen.
Zum Beispiel: Darf Amateur Bilder betrachten, sie kommentieren, darüber sprechen oder gar schreiben? Die Frage ob Amateur überhaupt schreiben darf stelle ich nicht, das Wesen der Blogs oder sonstigem will ich hier nicht untersuchen, ich unterstelle einfach, dass er das darf, er macht es einfach. Was schreib ich da? Er macht es einfach. Vielleicht, wenn er sich traut.
Ich will es demnächst wieder versuchen. (Ich wollte es würde jemand mal bei meinen Gedichten versuchen.) Über Bilder schreiben (zu Anfang), obwohl ich eigentlich nichts von Kunst verstehe, keinen wirklichen Überblick der Szene habe, mich nur an meinem Empfinden, Fühlen und Denken orientieren kann. Ich werde nicht darüber schreiben, was mir NICHT gefällt und mir gefällt vieles nicht, sondern ausschließlich meine Gedanken aufschreiben, die mir beim Betrachten kommen. Die Empfindungen aufschreiben, die mich befallen, die Bilder die damit erzeugt werden. Und das kann ich. Gut sogar. Es geht mir nicht darum zu ergründen, was der Künstler, Autor, Macher denn mir mitteilen will oder auch nicht, welche Gattungen gestreift sind, welche Techniken eingesetzt wurden. Ich werde nur aufschreiben, was in Gang gesetzt wurde, oder ob ich nichts empfand, die Hirnrinde nicht heiß lief. Keine Kritik, sondern die totale Subjektivität. Das Einlassen auf ein Kunstwerk, wie es wirkt, nicht wie es ist oder sein sollte. Bei dieser Art der Beschreibung ist die „Höhe“ eines Werkes auch vollkommen nebensächlich. Wesentlich entscheidender ist MEIN innerer Zustand. Ich teile mehr über mich mit, als über das Werk. Um es anhand eines branchenfremden Beispiels zu erläutern: In den Armen des richtigen Partners zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen hormonalen Dosis ausgestattet ist das Lied, zu dem Paar tanzt unerheblich. Es könnte sich sogar um Volxmusik handeln, total verkitscht, was Mann/Frau NIE anhören würde. Und doch wird im Kontext etwas vollkommen anderes gespeichert. So meine ich das.
Vollkommen subjektive Betrachtungen eines Themas, eines Werkes. Manchmal sogar ein Text als Fortsetzung mit anderen Mitteln.
Man wird sehen.