Kulturbetriebslehre 4zuNull

„Ich will das auch. Mir scheiß-egal, wie ihr das macht. Schonderau hat es, die Füßbürger Harmoniker, überall gibt es zwo.null. Nur nicht bei uns, obwohl wir eine Schillbeetzart-Bühne finanzieren, samt der Pompakademie im Techno-Park. Ich will Ministerpräsident werden und brauche fette Teaser.“ „Technologie-Park“, korrigierte seine persönliche Assistentin, gerade privatintim von ihm durch eine gerade 18-Jährige ersetzt, sie genoss das grapschfreie Leben.
Böse funkelten des Oberbürgermeisters Pupillen. „Und Sie“, er deutet auf Jana, „werden dafür freigestellt, werden das managen. Und wehe, wenn nicht, Kulturmanagment 2.0, nein 4zuNull will ich haben, mindestens“. Wie immer hatte er bereits den nächsten Termin im Auge. Aufsichtsrats-Vorsitzender des baldigen Bundesligaclubs wollte er auch noch werden.
Die Türe schlug zu und alle schauten auf Jana. Sie lächelte. Jan und Jana. Ihre Hormone tanzten. Sie schickte ein Küsschen zur Intendantin, tätschelte die Glatze des Generalmusikdirektors, stupste den Schauspieldirektor auf die Nase und angelte dem Chefchoreografen das Handy aus der Hosentasche. „Jan, kannst Du kurz in die Intendanz kommen, nein ich bin nicht allein und auch nicht, doch schon, aber das muss warten, du wirst befördert, Kulturmanagement. Statt 450 abjetzt 800 Euro, Praktikum Vollstelle 67 Stunden-Woche, ok.? Mit Vergnügen? Mit Vergnügen sind es nur 700.“ Sie gackerte.
„Jan Naidu“, hauchte sie in die Versammlung, „Jan Naidu hat Kulturbetriebslehre in Weimar studiert, Musik in Wien und Informatik am MIT, bekommt aber in der Fächerkombination keinen Job, also praktiert er in der Werkstatt, beim Bühnenbild hämmern, außerdem soll er der Sohn von Basdarjahn sein. Er macht das schon.“ Jan kam herein und ließ sich berichten. „Mal gucken“, sagte er nur und seine Finger tanzten auf dem Eifon. Nach 10 Minuten Todesstille, nur durch die Beats aus seinen Ohrhörer durchbrochen. „Null prob“, schmatze er durch seinen Donat, den ihm Jana zärtlich aus ihren Vorräten zugeschoben hatte.
„Alles abgecheckt via Facebook und Twitter, Event bei wkw ist angelegt, myspace, Liveblog, Twitterwall macht die Pomp.“ Er schloss sein Linux-Notebook an den Beamer an und projezierte seinen internen Blog. Er tippte, schrieb gleichzeitig und hasste Powerpoint.
„Damit es schnell geht, der OB will das ja bis zur Gemeinderatswahl haben und die ist in zwei Wochen, werden wir das Kick-Off in einer Woche machen als Gesamtkunstwerk inszeniert und dafür eine uralte Kunstform in die heutige Performance-Technik migrieren. Das Happening.


Schon alleine wegen der reichen Säcke aus dem 68-iger Lager. Einige Punkte hab ich aus der Community bereits herausgezuckelt:
Leinwand über die gesamte Bühne der Oper. Poschgeier vom Schauspiel als Loriot, karikiert dessen Dirigenten-Einlage, statt Pause einzulegen wird er bloggen, seinen Stab an ein Hamann-Fake (er deutet auf den Schauspieldirektor) übergeben und die dirigiert dann das Orchester, (ein Blick zu dem Generalmusikdirektor), das die 5. in der Techno-Version spielt, deren Noten auf die Wall getwittert werden, die an der Musikschule sollen mal was tun für ihr Geld. Dazu choreographiert das Ballett just-in-time die La-Ola-Wellen auf den Sitzen. (Er wirft das Ballett-Handy aus Janas Dekolleté gezaubert dem Tanz-Cheffe zu). Auf der Leinwand im Schauspiel wird es eine weitere Wall geben, auf der via Twyric 20000 Lyriker aus dem slawischen Sprachraum ihre Twitter-Lyrik in kyrillisch tweeten. Und alle 10 Minuten wird das ganze unterbrochen, das Loriot-Fake wird den Chor dirigieren der nur das Wort „Krise“ singt, jeder SängerIn in der eigenen Facon.
Das ist aber nur eine erste Ideensammlung. Catering machen 30 Hobbyköche, die via Webcam von zu Hause aus in Bürger-Köche-Kochshows übertragen und von Genussbloggern über deren eigenem Kanal kommentiert werden.
Das ganze wird voll über den Eintritt finanziert, nix Zuschuss. 10000 Euro pro Karte, dafür ist ein Netbook enthalten, damit die reichen Säcke im Eventblog mitschreiben können und natürlich ein spezielles Kunst-Poken, damit sich Macher und Zuschauer vernetzen können auch im real Live.
Das Kunst-Netbook samt Kunstpoken wird dann im Online-Shop auch weiterhin vertrieben. Das Eventblog bleibt, das kann ruhig die Pomp weiter hosten, damit kann man mit den Kunstnetbooks auch weiter die Vorstellungen begleiten. Das wird das Geschäft! Alle werden die Teile haben wollen, auch Gallerien, Museen, die gesamte Szene. Kunst as Kunst can. YES WE CAN“, brüllte er und dann leiser „Ich brauch jetzt ‘n Bier.“

Jan nahm Jana bei der Hand und zerrte sie aus dem totenstillen Zimmer. Er grinst, küsste sie hinter die Ohrläppchen und sagte: „Na, hab ich Dir’s nicht gesagt, der fällt darauf ‘rein. Ministerpräsident, dem werde ich husten. Das Ganze gibst Du jetzt als Pressemitteilung ‘raus und schickst es an mikel, der wird es bloggen und tweeten. Als Farce entlarven, deine Rache-Performance.“

„Großartig, genial, chapeau, its hipp“ tönte es da. Die Intendantin umarmte den nun leichenblassen Jan, der Generalmusikdirektor küsste Jana und der Choreograf tanzte mit den Fingern ein Pas de deux auf den Schenkeln von allen. „Die Kunst, die Kunst“, sangen sie in die Kantine abgehend, ihre Poken schwenkend. Sie riefen nach ihren Sekretären/innen um die Tweets samt Blogs zu diktieren, damit sie ausgedruckt zur Unterschrift in die entsprechenden Mappen der Gemeinderäte heute noch für die Budgetverhandlungen gefaxt werden könnten.

„VierzuNull, VierzuNull“, hallte es durch die heiligen Hallen.

Jana wurde blass, zerrte Jan ins Freie. Mutterschaftsurlaub, jetzt hilft nur noch Mutterschutz und Elternzeit. „VierzuNull, VierzuNull“, grinste Jan, Männer halt…….

Angeregt dadurch 12. PHILHARMONISCHE KONZERT | Livestream der Duisburger Philharmoniker und den begleitenden Tweets von @philharmoniker