Ein Freund wurde befördert und erhielt einen Namen. Der „Alte Wasserturm“ in Weinheim. Seit mehr als 30 Jahren ziert er meinen Weg zur Arbeit, war als Funktion „Wasserspender für Dampfloks“ schon beim ersten mal, da ich ihn passierte, funktionslos. Fast-Ruine-Denkmal-Geschütz(t), wie so viele Gebäude in Weinheim, das auch schon einmal Hauptstadt der Kurpfalz war. Die Unternehmensgruppe Freudenberg hat das Teil 1990 gekauft und endlich liebevoll aufgemöbelt. Seit mehr als einem ¾ Jahr beobachtete ich nun (fast) täglich den Fortgang der Arbeiten, latschte zähneknirschend an Bauzäunen vorbei und freute mich, dass mein Freund so schön herausgeputzt wird. Warum ein doch recht banaler Wasserturm mein Freund ist? Seht her: Durch diesen Tunnel unter den Geleisen des Weinheimer Bahnhofes wandele ich täglich und am Ende steht dieses zu lesen:
Und dann erscheint er mein Freund, verheißt ein besseres Oben. Aber heute war es denn so weit. Mein Freund hat wieder eine Funktion. Ist Galerie, Ausstellungsraum, Kunstträger. Natürlich besuchte ich ihn, dachte ich müsste mich durch Menschenschlangen winden, durch die Massen der feierabendlichen Kollegen ellbogen, aber nein, ganz ruhig ging es zu, nur ein Vater zeigte den Kindern die schöne Aussicht und insgesamt 4 kunstsinnige Damen lustwandelten durch die Ausstellung. „Keramik aus der Sammlung Gisela Freudenberg“.
Ich hatte dann doch einige innere Hürden zu nehmen. Der Eingang wird nämlich von einem Kollegen des Werkschutzes behütet, nervös wollte ich schon meinen Werksausweis zücken und dann lag da ein Teppich:
Das Symbol der allfirmlichen Sicherheit. Ich begann innerlich den Monolog der gezeichneten Arbeitsanweisungen aufzusagen und checkte den Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung. Nein, Kettchen trage ich nie, keine Uhr am Handgelenk, nein Krawatte hängt im Schrank, Schutzbrille wird wohl nicht nötig sein, auch keine Sicherheitsschuhe. Das Schild zur Sammeln nach Alarm hatte ich schon des Morgens früh entdeckt. Und den Hinweis den Handlauf zu benutzen lächelte ich nur höhnisch an. Ich KANN gar nicht mehr anders Treppen ersteigen. ( Ernst beiseite, ich finde es wirklich GUT, wenn Sicherheitskonzepte tatsächlich auch in eine Galerie mit einfließen, ganz selbstverständlich auch draußen vor dem Zaun).
Und dann war ich tatsächlich entzückt. (Wenn ich schon einmal in eine Galerie gehe darf ich auch solch Adjektiv verwenden!) Nein beeindruckt. Keramik ist nicht unbedingt meine Welt, obwohl ich durch Freunde durchaus vertraut mit den Techniken bin, aber da stehen Artefakte vom feinsten. Keine Archäologie, nein Kunst aus den letzten zwei Jahrhunderten. Gesammelt von Gisela Freudenberg. Beispiele gefällig?
Ich werde noch öfter mal hinaufsteigen. Ich komme wie gesagt ja täglich vorbei.
Wie jetzt, das soll gebloggt sein? Jetzt erklär mal. Gisela Freudenberg, who?. Tja, also. Dr. Gisela Freudenberg ist/war eine der engagiertesten Elternvertreter / Schulpolitikerinnen des Landes Baden-Württemberg, verheiratet mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses der Unternehmensgruppe Freudenberg Hermann Freudenberg. Ihr wisst wohl, dass es eine Firma Freudenberg gibt, aber nicht was sie denn tut? Also. Ich muss das beständig im Real-Live erzählen, ihr hier, die ihr im Netz lest könnt das selbst tun. Guckst Du hier!Und wieder einmal rückt der Ernst beiseite: Ganz langsam sehe ich als ganz einfacher , äh, Arbeiter, (sagt man das noch so?), Anstrengungen des Gesamtunternehmens (ich arbeite in einer der vielen Inkarnationen, auch KG genannt) das Logo vermehrt öffentlich darzustellen, ohne dass irgendwer alle 5 Minuten „Corporate“ brüllt. Ganz selbstverständlich steht das Logo auf den Seiten der Metropolregion Rhein Neckar, wird sogar auf den Strassenbahnen der Nummer Fünf entlang der Bergstrasse entlang gefahren. Unlängst las ich eine Stellenbeschreibung, dass ein „Kommunikator“ gesucht würde und tatsächlich: Das Plakat zu der Keramikausstellung sah ich unweit dieses Events an den Litfaßsäulen Mannheims, ganz frech in der Nähe des Nationaltheaters. (Ja ich weiß, wer da mitsponsort in beklecklicher Höhe ;-), ich verrate es aber nicht.)
Im Wasserturm selbst kein Hinweis, keine Erklärung, keine Lobpreisung der Patriarchin samt Anhang, keine Belobhudelung des kunstverständigen Unternehmens. Einfach eine neue Galerie, liebevoll-professionell renoviert, eine hochkarätige Ausstellung, angenehm vom hauseigenen Messeservice in Szene gesetzt und das alles zu freiem Eintritt, bei allgemeiner Einladung.
Das nenne ich Unternehmenskommunikation vom Feinsten und letztendlich sehr effizient, win-win für alle. Auch wenn ich im Allgemeinen durchaus kritischeres zu sagen wüsste, nicht, dass ihr denkt, aber gute Dinge verlangen gute Worte ;-).
Nun denke ich aber, mein Freund hätte eine Website verdient, es muss ja kein Blog sein, oder doch?
Hey, die F-It macht doch jetzt sogar das Kassenhäuschen für die Adler und die Bayern, da werdet ihr doch noch ein Blog eine Webpräsenz für den Wasserturm nun, stylen können? Alla hopp, macht mal ;-).