Literarische Lochstreifen?

gerade mal nach oben aus 2007 geholt, nicht schlecht der Gedankengang eigentlich, wegen Twitter-Hin-und-Her mit http://www.der-sprachlose.de/ und emju

Der letzte Lochstreifen, den ich stanzte, für eine Firma, die es nicht mehr gibt, in einem Gebäude, das bereits abgerissen ist. Irgendwo wird es noch Produkte geben, die mit den Daten des Lochstreifens produziert wurden. Was wäre, wenn ich Gedichte von mir darauf gespeichert hätte? Das wäre durchaus möglich gewesen. Es gibt längst keine Lesegeräte mehr dafür, die mir zugänglich wären. Keine Rechner, die die Daten verarbeiten können. Das Papier, auf dem ich die Texte aus dieser Zeit mit der Schreibmaschine hämmerte, ist vergilbt und ist lesbar, solange irgendwer die Sprache dazu entziffern kann. Wer kann meine CD’s lesen, auf die ich meine Backups schreibe, in 30 Jahren? Meine Disketten habe ich längst überspielt, gerade übertrage ich Schallplatten und die Bänder mit den eigenen Liedern auf Festplatten, die welcher Rechner in 50 Jahren noch lesen kann? Wohin werden die Daten auf dem Festplattenplatz dieses Netzrechners gehen, den mein Provider mir verkauft? Wer wird php weiterentwickeln, den Webserver, die Datenbanksoftware? Wer redet so vollmundig von Webliteratur, ohne von Nachhaltigkeit zu träumen, wenigstens zu erwähnen, dass man über die Speicherung von Daten nichts weiß, über die Prozesse der Webserver, über die Flüchtigkeit von Software zum auslesen von Datenbanken? Aber schon immer sind die Dichter sich selbst zu wichtig, als ob sie Kopisten gekümmert hätten, die Sklaven an den Pulten, die Mönchlein, die Drucker in ihrem Bleisatz und die Systemadministratoren, die gegen die Flut der Spams kämpfen, der Hacker, die Verletzbarkeit von hoch entwickelter Elektronik. Was kümmert den genialischen Dichter den Bibliothekar, den Drucker, den Verteiler der geschriebenen Ware, den Päckchenpacker, den Verlagskontroller. Und jetzt kommen sie und freuen sich, sie könnten quasi ununterbrochen gänzlich kostenlos für immer auf die Server der Knallgrau-Provider schreiben, als ob dies alles selbstverständlich wäre, immerzu vorhanden in alle Ewigkeit. Es ist schon seltsam mit diesen Dichtern, die sich immerzu in einer Veranstaltung wähnen, die sich Literaturbetrieb nennt. Seltsam das alles, nie zu Ende gedacht. Da schreiben sie über das Ende von Kulturen, die sie noch nicht einmal an ihrer Oberfläche genau kennen. Das Ende der Schriftkultur rufen sie aus und wollen mit dem Netz kontern. Seltsam das alles, wie gut, dass ich nicht mehr alles verstehen muss. Diese Arroganz wider das Technische. Salonkultur….