Die BASF bloggt mit der Rheinpfalz. Oder ist es etwa umgekehrt? Schon recht lange gibt es das Portal Rhein Neckar Web, eine Gemeinschaftsproduktion der BASF Aktiengesellschaft und der Rheinpfalz Online Gmbh & Co. KG, unter Beteiligung der regioactive.de Brünner, Maier, Merkel GbR. Inhaltlich konzipiert und gehostet von der T-Systems Multimedia Solutions – Geschäftsstelle Stuttgart. Das Rhein Neckar Web, ein Portal für die gesamte Metropol Region, mit News von der Online-Rheinpfalz, Kultur, freiem E-mail-Service für alle User, kostenlosem SMS-Service, Wetter und Nachrichten aus und von der BASF, dem größten Arbeitergeber der Region und vieles mehr. Und seit November 2006 gibt es dort nun auch ein Weblog, powered by WordPress ( die werden sich über die bestimmt erfolgte Donation freuen ) hurra! Da setzt einer der global Player auf Open Source und die GPL. Die Metropol-Region bricht auf in die Welt des Web 2.0! Wie heißt es doch so schön auf der Startseite des Portals? „Diskutieren Sie mit uns und anderen Usern im Weblog des RheinNeckarWeb über Themen aus der BASF und der Metropolregion RheinNeckar.“ Wow! Ein Dax-Unternehmen bloggt, mit voller Unterstützung des Vorstandes, wie das Impressum zeigt. Hurra, Hurra!
In den Nutzungsbedingungen wird sogar garantiert, dass die „die Allgemeinen Verkaufsbedingungen der BASF durch das Weblog und deren Inhalt, Materialen und Informationen nicht geändert werden“. Gut, gell.
(Dies wird ein blogunüblich langer Artikel, aber er lohnt sich zu Ende gelesen zu werden. Also, holt Euch was knabbern, rutscht wenn nötig die Brille hoch und gießt Euch einen Kaffee ein, oder so, es endet alles in einer Überraschung, hoffe ich.)
Bevor wir uns nun dem Weblog selbst zuwenden, wie es Bloggern geziemt, werfen wir doch zuerst einen ganz kurzen Rundblick auf das Portal an sich. Erwähnenswert wie immer, die schiere Größe der BASF, die Umtriebigkeit dieser Menschenmasse mit eigener Gastronomie und Kulturangebot in Vinothek, Weinkeller, Gesellschaftshaus, aber auch das Wirken der AG als Sponsor und Antrieb der Metropolregion als Solcher. Auch in der Gestalt des Herrn Vorscherau, den ja der Verein jetzt leider an den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn verliert. Vorbildlich auch der Versuch naturwissenschaftliche Interessen bei Kindern zu wecken. (Bereits die Navigation zu den Kids ist eine Herausforderung (lol), aber dort befindet sich mein absoluter Lieblink. „Das Experiment mit der Zähflüssigkeit“. Ich messe jetzt seit dreißig Jahren fast täglich Viskositäten, so etwas bindet an einen Link wie diesen. Im Ernst. Ich empfinde solche Seiten als gut, auch wenn sie auf den ersten Blick tapsig erscheinen. Es ist leider so, dass in der öffentlichen Meinung zehn Sätze aus Goethes Faust immer noch eher zur Allgemeinbildung gehören, als die genaue Kenntnis des Periodensystems der Elemente. Konzerne wie die BASF können da helfen, vor allem, wenn Nachfrage an Personal dahinter steckt. Man hat es aber auch nicht leicht, als Hersteller von Verarbeitungsprodukten sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Seit Disketten nicht mehr gebraucht werden und Kassetten Decks verstauben, hat die BASF keine Artikel des allgemeinen Konsums mehr auf dem Markt, oder kenn’ ich nur keine? Egal. Eindrucksvoll demonstriert die BASF, wie unser tägliches Leben von der BASF geprägt wird. Hier. Da wird zuerst Java geladen, dann eine Anwendung, die ipix (TM) heißt, wenn dann der Server auf Trapp ist, kann man ein Bild sehen, das z.B. ein Badezimmer zeigt, wo dann ein i abgebildet ist, das wenn man mit der Maus darüber fährt, eine Bildunterschrift zeigt, die sagt, dass in Kosmetikartikeln wohl irgendwelche BASF-Produkte verwurstelt sind. Das ist Web 5.0 vom Feinsten.
Wenden wir uns nun dem Partner Rheinpfalz zu. Da versucht ein Verlag endlich neue Wege zu gehen, Geschäftsfelder jenseits des Print zu suchen, Content auch in Web 2.0 -Manier zu verbreiten, Experimente zu starten. Sehr löblich, sehr. Das TV-Experiment damals ging wohl schief, aber dieses Mal bleiben sie dran. Und jetzt sogar eine Kooperation mit der BASF. Mit Weblog. WOW. Zwei starke Partner in der Region auf dem Weg in die Informationsgesellschaft des übernächsten Jahrtausend.
Nur warum will bei mir kein Jubel aufkommen, warum klingt da einiges leider so falsch?
Nun, weil die BASF nicht die kleine Lackiererei am Ende der Straße ist, sondern das größte Chemieunternehmen der Welt, das eben mal als erstes deutsches Unternehmen eine feindliche Übername in den USA tätigte, eine bitterböse politische Kartell-Vergangenheit als IG-Farben hat, in der sie massiv mit Geld in die politische Landschaft eingegriffen hat, eine Vergangenheit die auf den eigenen Seiten nur geschönt dargestellt wird, den Naziteil vergessend. Tief im Bewusstsein der Menschen hier verankert ist die BASF auch als Umweltrisiko, obwohl der ganz große Gau schon 1925 erfolgte und die BASF heute garantiert alle Auflagen der Politik befolgt und mit ihrem Umweltprogramm immer mehr punktet. Die Ankündigung Genkartoffeln im Limburgerhof anbauen zu wollen wird wohl auch noch auf großen Widerstand stoßen. Diese Firma weiß sehr wohl, dass sie aufpassen muss, was denn so über sie geredet wird und lässt daher nicht nur das Web überwachen, betreibt ganz offen Issue-Management, mit eigener Abteilung dazu, geht damit sogar auf allerlei Kongresse und andere Podien. Und wie heißt es dort, ganz offen im Netz zu finden (und von mir abgespeichert ;-) ):
•Klassische Medien (Print, Funk, Fernsehen) erleiden Bedeutungsverlust, immer mehr Onliner • NGOsund „New Publisher“ lancieren Themen, die ritualisierte UK relativieren: Klimaschutz versus Quartalsbericht• NGOs und „New Publisher“präsentieren neues Kommunikationsverhalten: spontan,dialogisch, streitbar, anlassbezogen, subjektiv, intensiv…
und weiter
Das IssuesManagement System der BASF ermöglicht
1.das frühzeitige Identifizieren von Themen mit Chancen-und Risikenpotenzial.
2.eine systematische, proaktive Bearbeitung dieser Themen.
und dann noch
Wir fangen nicht bei Null an, das haben wir schon:
BASF verfügt bereits über wesentliche Instrumente für IM:
1.Medienmonitoring –nationale und internationale Print-, Online-, und AV-Medien. (Internationalisierung wird derzeit ausgebaut)
2.Internetbeobachtung und –recherche sowohl durch eigene Mitarbeiter (z. B. NGOsund GO-Auftritte) als auch fallweise mit externer Unterstützung.
3.Ein Frühwarnsystem.
4.Telefonkonferenzen des Com-Leadershipteams und im Communications Framework vereinbarte Regeln der Zusammenarbeit in der globalen Communication Community.
5.Monatlich aktualisierte Issues-Liste für den Vorstand.
Merkt ihr was? Das ist kein Versuch uns im Dreieck zu bespassen. Da hat sich jemand was gedacht.
Betrachten wir uns nun die Rheinpfalz. Das ist auch keine Schülerzeitschrift, sondern eine quasi Monopol-Zeitung für fast das ganze links-rheinische Gebiet der Metropol Region, von Frankenthal bis Wörth und weit über das Gebiet des Delta hinaus, mit einer Gesamtauflage von 260000 Exemplaren. Im Sommer hat man sich mal eben so die Delta Medien Gmbh gekrallt, die unseren heißgeliebten Meier, DAS Städtemagazin des Deltas herausgibt, und selbst zur Medien Union gehört und somit irgendwie, im üblichen Verlags-Beteiligungs-Geschwurbel, mit der Süddeutschen in München und den Stuttgarter Nachrichten und mehr verbandelt scheint. Und Zeitungen haben es schwer. Sehr schwer, denn es laufen ihnen die Leser weg und immer weniger Werbung wird geschaltet und Zeitschriften müssen verkauft werden, refinanziert. Verlage sind Unternehmen mit Erlösforderungen und der Glaube an die „vierte Gewalt“ existiert wie so oft nur in den Sonntagsreden und Talkshows. Man muss etwas tun, um im digitalen Geschäft dabei zu sein. Partner suchen.
Nur: Wie viel an Glaubwürdigkeit verliert ein Verlag, eine Zeitungsmarke wenn er sich an einen „global Player“ direkt bindet? Ok, die Rheinpfalz Online Gmbh & Co. KG ist rechtlich eigenständig und existiert im gleichen Verlag neben der Printredaktion. Nur, wer nimmt so etwas wahr? Glaubt an eine Unabhängigkeit? Als Abonnent der Rheinpfalz (der ich nicht bin) würde ich nach Lektüre des Portals jede Zeile über die „Fawwerik“ in Zweifel ziehen, ob berechtigt oder nicht.
So und nun zum Weblog selbst. DAS Format im Web 2.0. Nun, hier wird zwar Software verwendet, die oft als Weblog gebraucht wird, nur im Rhein Neckar Web wird kein Blog geführt. Vollkommen unambitioniert copy&pastet da eine „Redaktion“ (von der BASF, Anmerk. des Verf.) oder „Rheinpfalz online“, nur gaaanz gaaanz selten der/die Studicom, obwohl dieses Blog wohl genau dazu konzipiert war, wie der erste Eintrag zeigt. Könnte man eigentlich vergessen das Ganze. Probiert und nix draus geworden. Da werden wohl noch eine Weile Pressemitteilungen und PR-Geschichten eingestellt, Artikel drittverwertet und dann das ganze in die Ecke gestellt, vergessen, im Netz umher gammeln lassen.
Ich finde das schade. Schade um das schöne Geld (T-System arbeitet selten für lau, samt versammelter Redaktionen…), schade für die Region. Wenn man die Navigation nur kurz ändert, so dass PR, Werbung, Newsflash und Blog visuell sauber getrennt sind, mit einem eindeutigen Disclaimer versehen, wer was, wie und unabhängig von einander macht und die Welt wäre doch in Ordnung. Technisch gesehen. Einen Newsticker zur Region, der wirklich Inhalt hat, NEUIGKEITEN von der GESAMTEN Region würde ich sofort abonnieren. Möglicherweise sogar Geld dafür bezahlen und das powered by BASF ertragen, wie anderes Gesponsore auch.
Und das Blog? Hey, der Issue-Man weiß doch ganz offensichtlich warum Blogs notwenig sind.
„Ungebremster Bedeutungsverlust der Mainstream-Medien und des rasanten Bedeutungszuwachses vor-und außermedialer Informationen im Netz.“
Aus einem SEHR gutem Foliengedingse, das auch ganz offen im Netz liegt. Sollte Pflichtlektüre für alle Blogger sein.
Michael Scheuermann weiß, wie es geht. Saß er doch sogar im Blog-Krisen-Runden-Tisch wegen Edelmann , zusammen mit so bekannten Blogs wie Lumma, wirres, Spreeblick, wohl um solche Wogen zu glätten. Fragt ihn doch einfach! Seine Nummer steht bestimmt im firmeninternen Telefonbuch.
Es stehen sogar BEISPIELE in der Folienshow, für ein Rhein-Neckar Web. Und was wichtiger für mich ist: Es scheint also tatsächlich „interne Blogs“ bei der BASF zu geben. DAS wäre doch das Ding. BASF – Mitarbeiter bloggen. Metropol-Regioner wie Du und ich. (Das läuft dann alles klassisch getrennt im Portal, gell). DAS würde ich gerne lesen. Kein Marketinggeschwurbel, keine aufgewärmten Nachrichten, keine PR. DAS wäre Kommunikation. Hinter jedem Blog steckt ein Mensch. Dann wäre das sichtbar. Hey, bei den vielen Leuten, die da arbeiten werden doch ein paar auch mal in die Welt bloggen können, wenn sie es intern schonmal geübt haben? Talentierte Leute gibt es da BESTIMMT. Ich kenne da einige BASF-Pensionäre, die sogar exzellente Lyriker sind. Wie könnte besser dargestellt werden, dass BASF’ler keine Meschen sind, die Nachts arme Bauern mit der Kalaschnikow im Nacken zwingen Pestizide auf die Äcker zu trollen oder die Kartoffeläcker mit Genaufbereiteten Kartoffeln heimlich verwanzen?
Wir vergessen nicht den knallharten Ansatz siehe oben. Wir geben lesenderweise nicht unsere kritische Sicht der Dinge ab, wie die Schreiberlinge hoffentlich auch nicht. Vielleicht würde sogar jemand von dem Unbehagen schreiben, das auch den Autor hier immer wieder befällt: Das Unbehagen am beruflichem Tun, das Wissen um die Gefährlichkeit und eigentlichen, insgeheimen Zielen und Wünschen?
Und wenn die Redaktionen der PR und News Redaktionen keinen Bock haben, weil sie mürbe sind, wie es Knüwer vom Handelsblatt beschreibt und die Rebellen anders sehen, aber doch Profis dabei sein sollen: Hey, die Jungs vom Meier gehören doch jetzt auch zu Euch. Die haben das Bloggen voll drauf, warum holt ihr sie nicht ins Boot, dann hätten die wenigstens einen rss-feed.
Genug der Dinge, es wird spät ;-). Aber so ist das mit dem Web 2.0. Kommt einfach so ein darhergelaufenes Männchen, wie der Autor hier und flegelt sich über Weltkonzerne, Zeitungsgrößen und fühlt sich auf Augenhöhe, nur weil er auch bloggt, macht sogar Vorschläge. Ja so ist das mit dem Web 2.0.
Ein Vorschlag:
Warum kommt ihr Profi-Blogger, StudiCom-Blogger, BASF intern Blogger, Blog-Monitorer nicht einfach zu unserem Bloggertreffen? Kein Podium, keine Folien, keine Presse, kein Muss, kein Geschwurbel. Ganz einfach Aug in Aug „babbln“. Über RSS, Trackbacks, Inhalte und was auch immer sich Pfälzer und soclhe die halt da wohnen, so „schwetze, midanonna“. Die Beherrschung des örtlichem Idioms ist auch keine Pflicht. Die Metropol-Region ist längst größer als ihr Dialekt und größer als die Kernlande der Kurpfalz allemal. Infos gibt es hier.
Falls Euch das zu kitzelig ist, sich einfach so unter die wilden Blogger in offener Rennbahn zu gesellen, dann macht doch einfach mal ein eigenes Treffen. Nein, nicht in den Räumlichkeiten der BASF, ganz nutrla, wo jeder seine Zeche selbst zahlt. Die Kollegen von goDelta wissen bestimmt eine Location. Ich komme. Bestimmt!
Ach so ja, falls es der Artikel in den Issue-Report für den Vorstand schafft. Grüße an Alle unbekannterweise. Was sind wir nett, wir Blogger, oder?..