Mainz Koblenz IC 2216

Hildegard winkt Tee über den Fluss, die Germania gähnt in die Leere der intergalaktischen Rebhaine in die Ebenen von Andromeda, bläst Brände zu Wein, Mäuse türmen Kitsch. Burgen ölen Rost zu Ritterschanden. Camper landen nieder. Chinesen knipsen Phone zu Ei. Heine röhren Silcher in Geweihe. Talwärts die Kohle sich schifft. Funklöcher twittern das Nichts in ie Tiefen der römischen Wälle. Tunnel leuchten leichte Bücher. Am Eck wispern Kaiser der Mosel entlang, besoffen vom neuen pazifistischen Glück aus Elblingen geboren.

Durch die Bank

Making of a song. UNO, des tres…..

Durch die Bank. Durch die Bank. Die drei Worte flüsterte er schon seit geraumer Zeit und lachte. Er betrachtete die Würfel und lies sie rollen. Wie im richtigen Leben. Call and Put. Dann sollen sie halt Kuchen essen, was ging ihn Hunger an oder Shareholder. Wen interessieren schon die Deppen, die Autos bauen oder Unterhosen nähen. Durch die Bank, durch die Bank. The Pusher. Opium für Völker, Kredite und die Würfel fallen so und so. Putt putt put, call me baby. Völker hört die Kredite. Durch die Bank, durch die Bank. Nadeln streifen, klickeklick, call me put. Er sagte Zinsen. Ha, ha Zinsen. And a ha and a hu. Wir würfeln und ranken. Durch die Bank. Durch die Bank. Ko, Ko Konten wir, wir, wir, wir, durch die Bank, die Bank, die Bank. Clap your hand. Come on. Clap and clap. And a Ha and a Hu. Durch die Bank, durch die Bank and you and me, babe, it’s you, it’s me. Durch die Baaank, durch die Baaank weg alle, durch die Bank weg alle. Dance the ranking, hell is occupied. Teufel aber auch. Durch die Bank. Let’s dance the street, devil, devil. Durch die Bank, durch die Bank with you and meheheheeee. Durch die Bank, auf der Bank, heut’ Nacht. Every night you see. Durch die Bank, die Bank, die Bank, diese Bank heut’ Nacht, every night. For you and meheheheeee. It’s cold outside, babe. So cold, so cold. Durch die Bank, durch die Bank. Sleeping in the street. Come on, clap your hands. Durch die Bank, durch die Bank, auf der Bank da schlafen wir. Whisper, whisper, flüstern die Tränen, durch die Bank, durch die Bank. Seid umschlungen Millionen.

Feuchgemehlte Ausstechformen

Morgen spielen sie wieder Geister, verehren die Götter der Vorfahren, deren Namen sie längst vergessen haben. Der Tod wird allen Heiligen geopfert, die Seelen beschworen, die Fegefeuer brennen zur Nacht in die Novembernebel. Eigentlich sind doch alle fest in ihrer Religion verbunden, egal welcher und doch werden jährlich mit steigenden Dunkelstunden die Geister beschworen, die schon unsere Vorfahren, die Säbelzahnjäger in die Mammuthäute ritzten. Ist es nicht egal, ob es denn Heilige, Propheten oder was auch immer sind, die der Gebete heischen, damit die Angst schwindet, wenn die langen Nächte der Museen und der Nebelräumer drohen? Die Geister aus den Monitoren schnitzen uns Figuren, die kein Kürbis je darstellen kann. Blut aus Nichts rinnt ohne Schmerz über weißgetünchte Leere. Die Furcht schlägt Haken ohne Sand zu wirbeln. Die Furcht ist vermarktet, findet Niederschlag in den Kostümen, die Discounter standadisieren und wer sich nicht fürchtet, dem widmet sich dann echte Gewalt. Ich pflüge Vogelstimmen in die Staubarchive des letzten Sommers, ziehe Spinnennetze über mein Gemüt, tauche tiefgefrorenes Lachen in die ungeweinten Tränen aus pittoresker Kürbisschnitzerangst. Litaneien werden sie opfern auf den Gottesäckern, den Heiligen huldigen, die Seelen beweinen und der Tod sitzt mit mir am Wirtshaustisch, schimpft gotteslästerlich wie alle über seine Arbeitgeber und dass ihm seine Arbeit weiß Gott keinen Spass machen würde und dann lacht er über mein amüsiertes Gesicht und brüllt, nein Dich hol ich dieses Quartal noch nicht, vielleicht. Und dann fällt mir ein: Der Geist der Kürbistöter lebt in Deinen Suppen, die ich so liebe. Morgen singen die Ängste wieder Headbanger-Lieder aus den Hitparaden des letzten Jahrtausends. Die Basedrum peitscht Leben in die Nebel. Meine Elfen des nächsten Frühjahrs schminken ihre Einhorndosen für all den Sternenstaub, der sich sammeln wird im Tann, wenn die Jogger nicht mehr die Wälder segnen mit ihren Schritten. Mein Gelächter schwebt in den Nebeltropfen, die auf den Kuchenblechen der Weihnacht kondensieren werden und dann schreibe ich wieder Mandeln in feuchtgemehlte Ausstechformen. Der Tod lacht und murmelt sein tägliches Vielleicht.

Sommer graut

Es graut in der Mitte des Sommers, die Temperaturen des Frühlings lagen höher, es tropft seit Tagen von üppigen Blättern, das Korn dahin, blanke Furchen bräunen in die Äcker, der Blues springt aus allen Playern, Sting melancholiert aus mp3s. Seltsam wird mir dann immer. Sonnenentzug. Meine Marktplätze entleert, die Stellen im Wald so fern. Alles schwimmt im inneren Nebel des Egal. Milliarden wieder einmal, ja und? Der Stress wird getestet? Ach ja. Wie furchtbar. Nichts regt mich auf, nichts regt mich an und doch: Ich kann schreiben, schreiben, schreiben. Die täglichen Katastrophen berühren nicht mein Innerstes, ich schaffe neue, reite auf der Wehmut, lausche Klarinetten und Akkordeons, tanze Tango mit den Zehen auf dem Teppich. All die Figuren der Macht tanzen ihr seltsames Ballett vor den Kameras der Welt, ich sehe ihre Münder sich bewegen und höre nichts, schreibe ihnen Texte ins Maul, die nur ich hören kann. Was ist die Wirklichkeit? Was man mir zu sehen gibt, oder was ich sehe? Sommer lochen sich und heften ab, wie immer, bald platzt meine Hitze wieder zu freilebendem Schweiß, aber heute, heutzutage, jetzt, pflege ich,
Melancholie, streichle die Agonie zu seufzenden Anti-Spasmen und fühle mich wohl, tief in meinem Ich vergraben, sauge Leben aus den Tropfen, die mich regnen und träume vom Schlaf in Wolkenfeldern, dort hinten, im Immernass. Die Welt tropft perfekt, ich atme dünne Schleier, neble mich, bin ganz in mir. Chopin hüllt mich, Rilke liebt mich, Gedichte netzen mich, dort im Web, so dicht an dicht, zu mir. Es graut in der Mitte des Sommers.

Mitten im Sommer zur Nacht

Ein leichter Wind wedelt Barock aus den Subwoofern durch die Riesen, betört die Blätter, die sich sonnen, still steht der Mais, lässt sich kleine Wedel wachsen. Unrasiert, die Felder reifen das Korn stechen den Hafer. Asparagus wächst auf Spargelhügeln. Ferne Hügel grüßen Richtfunkmasten. Alte Antennen sehen fern, greinen leise Kuhlenkampf. Kirschen röten, Rüben dürsten leicht. Eichel hähern zu den Straßenbahnen, Bussarde fuchsen Autobahnen. Mein Schlaf staut Geigen, wolkt in Rosa. Grau bläst weiß im Balett ungeregneter Wolken. Kleine Kissen küssen bald meine Stirn. Bald morgent das Rot über den Hügeln, die sich Berge nennen. Ein leichter Wind treibt Schuppen auf die Tastaturen, regnet Vogelzwitscher. Fern dröhnt ein Google durch ein Plus. Kein Facebook haucht. Ich atme Ruhe zu den Sternen, dort, die man bald sehen wird…

Das kleine Glück

hatte Ausgang, trieb sich wohl wieder in den Gedankengossen herum, wühlte hier in Erinnerungen, stachelt dort lodernde Gier, puschte Erfüllung. Wie füllt man Glück? Mit der Spicknadel der fetten Jahre läuft der Saft der Behäbigkeit die inneren Narben hinab, schließt die Krater, streichelt die Ängste hinunter, dort wo die Wahrnehmung mit der Scham schläft und Alpe zeugt. Eine Fülle abgelutschter Theorien trudelt im Rausch der Bedeutung durch die Alleen und bedeckt die Böden mit geknackten Nüssen. Die Nussknacker seufzen im Entspannungsbad, spielen mit zuckenden Muskeln ihre Arbeit in den Schlund der Zeit. Große Sekunden tanzen um die Tentakel des kleinen Glücks, trudeln die haarigen Zustände zu Zöpfen, brezeln sie auf blanker Haut. Da hast Du großes Glück gehabt dröhnt eben jenes und frisst auch dieses kleine Glückchen, wie all seine Geschwister von Anbeginn seiner Geburt. Dürr und ausgelaugt legte sich das große Glück darnieder zu all den anderen Katastrophen, Niederlagen, Unzulänglichkeiten und seufzte laut, gierte nach Nahrung und gebar eine neues Glückchen, säugte es mit den Spitzen abgekauter Gedankenblitze und schon bald hatte es Ausgang, das kleine Glück. Komm her bleib bei mir, hei kleines, Baby, stay with me, Montag ist erst morgen, hei Du, ja Du, komm, komm, komm mit mir.

Schneewittchen

Freudenberg, Drei Glocken, Beltz und Stilbruch las ich, als der Zug langsam in den Bahnhof einlief, ich hätte Elfriede mitbringen sollen. Meine Tante schwärmt für die Fensterlederclones von Vileda und wäre über eine Nudelfabrik in Entzückung verfallen, vor allem weil der Lieblingsverlag ihres verstorbenen Gatten daneben lag. Paul war Sozialpädagoge und er hätte bestimmt gesagt: “Machen wir ein Problem daraus und dann reden wir darüber“. Stilbrüche eben, scheinbar sind sie hier alle in einem Bistro zusammengefasst.
Seufzend stieg ich aus und fragte mich nicht das erste Mal, welcher Teufel mich denn ritt, überstürzt in Weinheim auszusteigen. Die Bahnhofsgaststätte verschlossen, „schunn iwwa e Joar“, erzählte mir der örtliche Wachtturmverkäufer, was immer er damit auch sagen wollte. Meine Koffeinsucht drängte mich Richtung Innenstadt, denn Stilbrüche trug ich bereits genügend in mir. Zwei Burgen sah ich an den Hügeln kleben, die sich hier Berge nennen. Ich kam geradewegs aus Kärnten, da bleiben solche Vergleiche nicht aus. Eine Burg sei erst 1920 oder so entstanden, von Burschenschaftern erbaut, was es nicht alles gibt. Burschenschafter, na ja, das wird der Gastronomie sehr entgegen kommen, ich sah die Füchse mit den Kappen wackeln und auf Humpen deuten. Ich war sehr unpolitische diesen Herbst, selbst in Kärnten, Sie wissen schon warum.
Am Kiosk hatte mich mir eine Lokalzeitung gekauft. Weinheimer Nachrichten, Odenwälder Zeitung und Mannheimer Morgen teilten sich wohl den allgemeinen Teil, ich blieb beim Lokalkolorit. Sollte ich mir noch ein Buch kaufen, für die Rückfahrt? Bei Braunbarth waren zu viele Leute, ah schon wieder Beltz, die Buchhandlung zum Verlag. Magisch zog es mich hinein, schließlich hatte ich Urlaub. Ein Mann in einem Parka zog mich in eine Gespräch über die Jelinek, was mich Vertrauen fassen ließ. Ich zeigte ihm die Visitenkarte mit den handschriftlichen Notizen. Die Adresse war durchgestrichen. Nur Weinheim/Bergstr. war noch gedruckt zu lesen, darunter stand:

Schneewittchen erwartet des Knaben Wunderhorn in der Straße 17.

Ich errötete und erklärte mich: „Ich traf die junge Dame im Bahnhof von Spital/Drau und wir teilten uns das Abteil bei der Fahrt nach Salzburg. Die grandiose Natur ließ mich wohl sentimental werden, ich nannte sie wegen der fehlenden Urlaubsbräune und ihren schwarz gefärbten Haaren Schneewittchen und fragte sie beim Abschied nach ihrer Telefonnummer. Sie schob mir wortlos diese Karte in die Hände und küsste mich auf die Wange. Nach zwei Tagen in München packte mich doch die Neugier und auf meinem Heimweg stieg hier aus.“ Der Mann grinste kumpelhaft und erklärte: „Schneewittchen wurde von einem Weinheimer Bürgermeister geschrieben, Namen habe ich vergessen, aber drüben am Amtsplatz gibt es eine Vitrine mit Informationen“. Im „Museum der Stadt Weinheim“ war die Vitrine zur Zeit nicht zu besichtigen, wegen Renovierungsarbeiten. Aber ich erfuhr wenigstens den Namen des Autors: Albert Ludwig Grimm. Ach deswegen des „Knaben Wunderhorn“, jetzt hatte es geklingelt, das war DER Grimm. Aber warum 17? Ich wollte nun endlich Kaffee trinken, aber ich verlief mich in den kleinen Gassen und stand urplötzlich in der Albert-Ludwig-Grimm-Strasse. Meine Hände wurden feucht als ich entlang einer Parkmauer entlang ging. Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof, aha der ehemalige Stammsitz der Viledaner. Da die Nummer 17. Evangelischer Kindergarten „Sonne“. Da stand auch Schneewittchen mit ihrer Tochter in der Hand und lachte mit ihr. „Papa abholen“, hörte ich nur noch, bevor sie um die Ecke verschwanden.

Geschah mir Recht. Alter Esel. Was wollte ich auch mit einer solch jungen Frau? Ich lachte laut über mich selbst und fand am Marktplatz ein spanisches Café, dort sollte ich vor deutschen Märchen und Sagen sicher sein. Beim zweiten Cappuccino begann ich ein Gespräch mit der Dame vom Nachbartisch, als sie endlich aufhörte über Windows, Web und Usiblity-Fritzen via Handy zu tönen. Sie sei aus „Linnefels“, erzählte sie, „net vun Wold-Mischlboch“, wie ich meinte herausgehört zu haben, man braucht ja immer Gesprächsbeginner. „Lindenfels an der Nibelungenstrasse, sehr romantisch, mit vielen Siegfriedsbrunnen in der Umgebung. Alles voller Sagen und Märchen“, säuselte sie nun im besten Standarddeutsch. Ich bezahlte überstürzt, trank aus und flüchtete.

Im IC nach Frankfurt las ich die Weinheimer Nachrichten, ich hatte mir ja kein Buch gekauft. Scheinbar hatte die Pisa-Studie auch dort Gegenmaßnahmen provoziert. Es gab eine Vorleseaktion. Die Zeitung schrieb sogar einen Kurzgeschichten-Wettbewerb aus. Ein Grinsen hüpfte über meine labello-losen Lippen und ich packte mein Notebook aus.