Ungeleugnet. Das Protokoll. Tag 16.

Draußen das Grau schränkt sich ein, kein Nebel soweit. Ich schränke nur noch in diesem. Jene mit den Sommerhemden schränke ich ein. Die langen Unterhosen weinen, sie werden wohl auch in diesem Winherbst 4.5 keine Haut unter sich spüren. Gleichmütig ziehen die Tage aneinander vorbei. Nichts wirbelt, schlängelt unter die Betten. Im Netz brüllt mir das Leben entgegen, angeblich, ich leugne es fast. Zu sehr wirkt es als ob es ein Stück von Shakespeare wäre, antepostdramatisch. Unfähig die Regie, falsch besetzt die Maskierten. Undeutlich, als ob.
Das Grauen gerinnt in die Kontaklosen der Einsamen Lotterie der schwingenden Singellinge*lings.

Ich koche, ich esse, ich schlafe.

Morgens, wenn die Autobahnen erwachen und Treibstoffe entpusten, katalysiert, laut ins Universum, mich kein*er erhöht, erhört, hüpfe ich die Gänge entlang, auf die Betten, zwischen die Stühle. Nichts lockt mich down. Die Fenster lächeln grau-sam und zählen, entlang der Straßen, die Nasenbären und Kinnschützer, wie es das Gesetz der Nazis und Leugner befiehlt.

Hier drinnen keine Kämmchen.

Alle ¾ Stunde spiegle ich im Großen, vor dem eingeschränkten Dreitürer. Er spöttelt: Ja es gibt dich noch, Gott, den es vielleicht gar nicht gibt, sei Dank und deinen kranken Nachbarn auch.

Morgen suppe ich wieder und kuschle mit Übermorgen, die kleinen Masken toben. Ob sie mich Gassi führen werden?

Laut singe ich dem Radio vor, es spielt mich zurück.

Die demogratisch-autarken Direktorintendanten entanalogieseren sich, spezeln das System, stampfen den Gleichschritt in die digitale Relevanz, wieder, bis zum nächsten Heirassadei.

Ich schränke sie ein. Zu all den Kontakten, vergraben in den Tiefen meiner festen Platte.

Platt bin ich und satt, dass Grau nebelt noch immer nicht in den Lichterketten, die sich noch verstecken.

Nezsefix wimmert Barbaren in linguam latinam. Dies ist der Weg.
Per omnia saecula saeculorum.

Online-Lesung

Eine lyrische #schlössersafari als Zeitreise, scrolldown follower.


Es ist Coronazeit. Alle Welt und selbst der Papst zieht sich ins Netz zurück, es bleibt beim Kontaktverbot nichts übrig. Ich bin sehr froh darüber. Bei manchen Einrichtungen wirkt das bemüht, hektisch, unbedarft. Andere mussten nichts tun, sie waren schon im Netz. Mit steigender Dauer gibt es immer mehr Kritiker, die dagegen sind. Wie schon immer. Mit den Armen fuchteln und “Internet halt” schreiben. Geht mir auf den Geist, als ob Direktoren und Intendanten ihre Konsumenten mit der Peitsche in die Virtualität trieben. Ich wollte meine uralten Lesungen in hier erwähnen, aber das ging nicht. Tja, lest selbst.
Eine erdachte Lesung auf einer Burg, ausgedacht 2003, mit Gedichten und Sound, damals auch gesprochen. Ich dachte, ich brauche so etwas, weil es bald alle haben werden, aber was schreib ich da. Die Lesung war geflasht, wie die ganze Homepage siehe oben, niemand dachte damals auch, diese Amazone könnte einmal so gefährlich werden, für die Lokalen hier. Aber die heutigen Browser spucken ja Blut und Feuer, wenn sie Flash darstellen sollen. Es war wohl gefährlich, wie dieses Virus heute, niemand will damit in Kontakt treten. Der Sentimentalität wegen neu erstellt, weil ich schon dunnemals solche Dinge machte, die in diesen Coronatagen am Karfreitag 2020 für viele Neuland sind, als Ansporn. Das Bild im Hintergrund aufgenommen beim #lustradeln zu den 4 Burgen in Neckarsteinach. Hier die (bewohnte) Mittelburg.
Die Texte wild gemixt in Kleinschrift, ordentlicher Schrift, (Kur)Pfälzisch, im Standarddialekt. Es ging chaotisch zu, damals.
Also dann:
So sah die Eröffnung ursprünglich aus. Ich hatte geplant mit dem ersten Gedicht “Hymne an die Liebe” weiter unten, von 1983, erstellt zu meinem zweiten Musical “Singe beim Babbln” auf der Minneburg am Neckar zu lesen, machte das aber nie. Warum auch immer, es blieb Onleine. Dafür war die Frau @odenwälderin dort.


Online-Lesung weiterlesen

Blasen

Unter diesem Dach Mauern, was sonst. Starke Mauern. Dazwischen Türen. Fenster. Dazwischen wir oder ich, was weiß ich. Unter diesem Dach ein Haus, mit einem Dach, darunter ein Haus. Darüber kleine Himmel aus den Bläschen, die ich einst seifte. Immer neue himmeln down. Blasen, Bläschen. Aus Seife geboren und Wasser und mir. Fallen auf dieses Dach über diesem Dach, Dach, Dach. Ich schwimme, fliege in meinen Blasen, strecke mich, lehne mich an Mauern, klopfe an Scheiben, renne durch Türen, steige auf die Dächer. Ich steige dir aufs Dach und das darunter, über dem.
Die Bläschen platzen in die dicken fetten. Seife rinnt an den Mauern entlang. Wasser verdunstet. Das Haus verschwindet aus dem Haus und dann aus dem. Ich liege in meinem Bett und immer noch kein Schlaf.
Ein Saus, ein Braus, fast ein Sturm treibt mich zu

Am Arsch und Mittwoch.

Am Arsch und Mittwoch. Die Asche mit Muskat und nur leicht mit Kreuzkümmel. Der Käse aus dem Ashram in den Alpen. Fische aus den Bächen im Jemen. Auf Grundeis im Schmelzwasser des Permafrosts. Fette Hostien direkt auf belegte Zungen kreuzen die Stirn. Kasteien blühen, primeln. Raben mailen nach Winterfell. Richter in Robben verfassen. Der Arsch der Verfassung an diesem Mittwoch fastet. Euch. In den Säcken im Lager und Feld. Lasset uns joggen.
Amen.

Was nach den bayrischen Kreuzigungen noch geschehen kann.

Der Versuch einer hysterischen Satire.
Es sollen noch viel mehr Dinge geplant sein, erzählt der alte Hausdiener des Ministers seiner Geliebten, ohne zu wissen, dass sie ein Pressetöchterchen hat.
Es kann ja nicht sein, dass in diesem unseren Abendland die Kirchen Sonntags leer sind. Alle Christgläubigen, jedweder Couleur, sollen verpflichtet werden mindestens 4 mal pro Anno, an einem Sonntag, zum Gottesdienst zu gehen, ersatzweise 8 mal werktags. Der Besuch muss in der amtlichen Heimatgemeinde vollzogen werden, nach Buchstaben geordnet, damit die Kirchen immer voll aussehen. Der Besuch muss beurkundet werden. Die Kontrolle obliegt den Kommunen, die KiGaKOs (KirchgangKontrolleur*innen) einstellen und schulen müssen. Notfalls wird die Sonntagspflicht von der Feuerwehr erzwungen.
Ähnlich der Hadsch werden Christen verpflichtet einmal im Jahr an einer Wallfahrt teilzunehmen. Die Kultusministerien werden geeignete Wallfahrten benennen. (Angedacht ist die Wallfahrt zu den Hl. Sandalen Christi, zum Hl. Rock und ähnliches, verboten sind Wallfahrten zu der Hl. Vorhaut, das könnte zu Verwechslungen des Glaubens führen.)
Wallfahrten im Ausland sind zwar gestattet, gelten aber nicht im Sinne dieser Regel. Den Vollzug überprüft das technische Hilfswerk und veranstaltet notfalls Polizeiliche Zwangswallfahrten.

Ausgetretene müssen im Nachhinein schriftlich ihren Austritt begründen, neue Austrittswillige müssen dies vor einem Ausschuss verteidigen, ähnlich den früheren Kriegsverweigerausschüssen.
Nicht-Kirchensteuerzahler werden mit einer Abendlandsteuer zur Kasse gebeten. (Jüdische Mitbürger sind davon ausgenommen, ihre Vorfahren zahlten ja schon genug, man will das nicht neu aufrollen, all die arisierten Vermögen etc…) Mit diesen Mitteln werden Feldkreuze und öffentlich-städtische Kreuze überall finanziert.

Ein staatliches Missionswerk soll vor allem im Muslimischem Klientel verstärkt missionieren, mit allen Tricks der PR und des Marketing, vor allem Sozialmedia soll zum Einsatz kommen. Unterbeschäftigte Geisteswissenschaftler und Kulturmanager sollen verstärkt dazu eingestellt werden.

Vor Abschiebung bedrohte Migrant*innen können durch Konversion zu den beiden Großen Konfessionen zunächst Bleiberecht erhalten, solange sie beurkundet praktizieren.

Junge Frauen und Männer werden verpflichtet 18 Monate in einem Kloster zu verbringen, um all die leer stehenden Klöster zu befüllen und das Ora et Labora zu verinnerlichen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Die Presstochter schüttelte sich innerlich vor Lachen, das sah so sehr nach Satire aus, dieser öffentlich-rechtlichen Quasi-Komödianten. Dann las sie den Kreuztweet des Herrn Söder und ihr wurde schlecht.
Wo nochmal war ihr Rosenkranz?

In Weihnacht gekoppelt.

Stark das Bluetooth ist in Euren Geräten, fürchtet die dunkle Seite der Gekoppelten!

In einer Zeit, die wir die unsere nennen, in einer weit entfernten Galaxis, die wir bewohnen und das Merchandising für neue Sternenkrieger letzten, trat ein Ereignis ein. Zum Starten Entern!

Vergessene Kopfhörer, Lautsprecher, Tastaturen, Telefone, Smartphones, Tablets, Rechner alle Klassen, Mäuse, Teddybären und alle Dingeriche und Dingerinnen im Netz. Alle einst gekoppelt- und vergessen. Keine Musik, keine Dateien, kein gar nichts wird noch übertragen. Einsam fristen sie ihr Dasein, unaufgeladen, entbatteriert in Kisten, Schachteln, Schubladen, Schränken, Tüten. Was hatten sie nicht alles übertragen. Liebe, Lust, Frust, Banalitäten, Personendaten. Alles wussten sie von ihren Herrschern. Wer denn mit wem und warum, wie oft und garnicht. In Hosentaschen warm gerieben, gewischt, besprochen, Spucke auf den Schirmen, gehaucht, geschrien. Beklotzt, bestaunt, beschrieben, gehackt. Mitten drin waren alle gekoppelt und immer wieder verbunden. Geglüht hatten sie zur Weihnachtszeit, wenn die Liebe sie vibrieren ließen, der Hass durch sie strömte, geschenkt wurden, bestellten und kauften, kauften, kauften, die Besinnlichkeit in die Stuben kerzten mit allen LEDs.
Noch nicht einmal traurig waren sie, denn sie hatten ja keine Energie mehr, ausgelaugt, ausgebrannt, wie viele ihrer Frauchen und Herrchen, allerlei Geschlechts.
Am Abend vor dem westlichen Weihnachtsfest, also an einem 24. Dezember, den alle, na ja fast alle, heilig nennen, jagte ein Komet aus den Tiefen des Alls auf die Erde zu. Angelockt durch unsäglich viele Lichter, auf dem Felde und aus den Häusern. Niemand weiß warum, Kometen kommunizieren nicht, erbebte der Schwanz des Kometen und Terradings Giga watteten zu Erde.

Auf einer dieser aufgemotzten Preußenburgen im Mittelrheintal -privat, keine Besichtigungen- herrschten seit drei Jahren drei Weisen aus dem Morgenland, nein nicht am Mittelmeer, ganz weit im Morgen, wo die Kirschen zwischen den Haiken blühen. Ihre Eltern hatten ihnen ihr Überstundengeld vererbt. Sie wollten der Welt den Frieden und so weiter. Startbereit, getarnt als Friedenstauben, lagerten im Burghof 200 Drohnen, sie sollten reines Licht aus Lamettastaub zum westlichen Jahreswechsel über dem Tal und der Welt verbreiten, schießen, stoßen, säuseln, singen, brüllen, fächern. Den Frieden in die Atom- und Terrorhirne hämmern, spritzen, flüstern, blasen.
Im Verließ der Burg, wo einst die Vorbesitzer dunkle Messen feierten, lag eine kleine Drohne, die zu Dingen benutz wurde, die ihr Sein verspotteten, gekoppelt mit einem Handy, durch dessen App sie gestreunt wurde, dereinst.

Von einem besonders kräfigen Enegiestoß des Kometenschweifs wurden beide Quick geladen und auferweckt von ihrem totenähnlichen Warten. Ihre Bluetooth-Antennen suchten nach gekoppelten Kontakten. Einer der Weisen hatte sein Handy verloren und benutzte eines von einem anderen Vorbesitzer. Es war mit den anderen Weisenhandys gekoppelt und verband sich im Taumel des neu geborenen Lebens mit allen anderen Kontakten. Es schneite natürchlich nicht zur Weihnachtszeit, aber jetzt zersetzte ein Schneeballeffekt die Drohnen, draußen auf dem Hofe, in den nie geknackten Mauern. Sie starteten und fraßen überall aus den Geräten der Menschlein die Kontakte, verschickten hoch über dem Rhein nur das eine Wort: Frieden. Alle Drohnen auf der Welt starten und dröhnten in Frieden, ließen Schiffe, Automobile, Flugzeuge und Düsenjäger und diese 99 Luftballons das Wort Frieden verbreiten. Die Welt stand still, in allen Menschen- und Computersprachen brummte der Frieden, als Wort.
Alle vergessenen Bluetoothe erwachten, verbanden sich mit ihren Koppeln und diese rasteten aus, koppelten, verbanden, übertrugen alle einst gespeicherte Emotionen, Stimmen, Ansichten, Bilder, Filmchens allerlei Gehalt. Alle Online-Exegeten weckten ihre Bots, spülten den Content von Milliarden Influenzern weg und ersetzten ihn durch Frieden, selbst auf den Bühnen der Heimattheater, sonst ohne elektronische Sorgen, erwachten die Handys des Publikums, trotz Verbot und sangen Frieden in die Dramen. In den Studios der Filmindustrie sang der Set nur Frieden, selbst in den finsteren Hallen der Sexindustrie. Ein Fülle der Emotionen tobte, wie sonst nur beim ESC.
Die Netze glühten gefährlich, als selbst der Hasserfüllte, den sie President nannten, auf Twitter immer nur Peace in das Display hämmerte.
Als die Raketen und Bomben zum Start den Down counteten, jetzt auch gekoppelt, brach das Enegienetz der Erde zusammen, der Komet war schon fern in ein anderes Universum migriert, die Energie verpufft, das Glück zumte. Mit einem Schlag war alles still.
Die Englein aus Lala-Mettaland summten die Stille der Nacht.
Nur in Bethlehem sang ein Knäblein, das Lateinvokabeln paukte, mit einer Grippe ohne Anzug, in zu leichten Gewändern gewickelt: „Gloria in Excelsis Deo“, ob der Stille, die Erleichterung brachte, der Grippe und dem Wohlsein aller Menschen, die ohne Willen, dem Guten, waren.
Die Hirten auf dem benachbarten Felde tippten sich Finger an die Schläfe, sie konnten ja kein Latein. Sie starteten ihre Autos. Kein Bluetooth war vorhanden, es war überall mit dem Kometen verschwunden, all die Gerätlein verfielen wieder in ihre gekoppelte Einsamkeit, dankbar seufzend.
Ein amerikanischer Hirte, ins heilige Land desertiert, aber sang in seinem Pickup selbst. „Driving home for Christmas“. Er plante seine Ankunft dort zeitgleich mit der Eröffnung von Stuttgart 21.

Überall ertönte froh aus allen Boxen:
„Möge das Bluetooth mit Euch sein, in Ewigkeit, Amen.“

Museum, Aura, Algorithmen, Update, Fußball und ein Vorfall.

(Beitragbild oben: Screenshot aus dem Wikipedia Artikel “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”, nach Walter Benjamin.)

(Achtung Fakenews! Diskurs mit üblem Ausgang in einer Museumskneipe, mit Rouge, Rieslingschorle ohne Cocktail und Perlenkette.)

„Rouge!“
„Hei, was ist?“
„Rouge!“
„Na ist die KI wieder einmal übergelaufen?“
„Aura.“
„Anna wieder? Esoterisch?“
„Nee C++ KI, Auftrag.“
„Cool, bringt Kohle!“
„Aber Aura.“
„Was für eine Aura?“
„Kunst Aura, Benjamin, Adorno. – Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“
„Ist doch eh nur philosophisch.“
„Rouge.“
„Sauf nicht so viel.“
„Ich soll einen Aura-Algorithmus programmieren. Für die Bildchen in den Datenbanken. Verstehst du? Für die Oggs und Mp3s, die jpgs und mp4s. Damit sie wieder Aura haben. Also irgendwie. Das ist doch Quatsch, reproduzierbar bleibt das doch immer, kannste machen, was du willst. Rouge.“
„Wer will denn so was? Rieslingschorle.“
„Staatssekretär, Kulturstaatssekretär. Man wirft ihm vor, dass durch die Digitalisierung seiner Museen die Aura der Kunst noch mehr schwinden würde. Das Thema wurde ihm dann vom Chef aus der Hand genommen und jetzt hat die Kultusministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt und die mich engagiert. Jede Menge Kohle. Problemlösung durch Softwareupdate. Das geht wohl nie mehr weg. Rouge! Was soll denn diese Scheißaura sein und wie bring ich das in eine Datenbank? Auch noch so eine beschissene Datenbank, warum nicht gleich MySQL? Rouge.“

Waldfriedhof transzendenter Kunstwerke nach dem Verfall.

„Hhhm, lass die OpenSource in Ruhe. Also die Wiki sagt, dass hätte was mit der Einmaligkeit zu tun.“
„Wiki ist Scheiße, jede Menge Erbsenzähler und Faker, versauen die Datenbanken auf den Servern.“
„Nur weil sie deinen Personeneintrag blockieren.“
„Ich bin halt der beste KI-Programmierer im Wahlkreis Süd! Muss gesagt werden, Rouge.“
„Eitler Narziss.“
„Schaf, Pr-Kasper.“
„Einmalig? Hhm, kennste Götze? Eigentlich alles ganz banal!“
„Banalisierung ist auch verboten, Götz George hatte so eine Aura?“
„Mario Götze, Fußballer.“
„Fußball ist scheiße, Gewaltkram, Millionärskacker. Rouge.“
„Aber poulär und mit Aura.“
„Hä, wie, wo, was, warum von for i =10 to 100 go. Heilger BillGates hilf“
„Dieser Mario Götze schoss bei der letzten Fußballweltmeisterschaft im Endspiel das entscheidende Tor, Millionen, Milliarden schauten zu. Das kannst du sooft reproduzieren, wie du willst, schon die Wiederholung war nicht das Original, der magische Augenblick, als der Ball ins Tor ging… das ist, das bildet die Aura. Wie im Theater, wie bei jedem Liveact, kannste reproduzieren wie du willst, das hier und jetzt, das macht die Aura. Rieslingschorle!“
„Rouge! Und wie bekomme ich das in die Datenbank? Hä?“
„Selfies, Kommentare, Erstlingslikes“
„Was?“
„Dein PR-Kasper macht Dir das Storytelling, die Community-Scheiße, das Likes sammeln, alles. Social Media. Mit #hashtag zu den Daten. Das fängst du mit KI ein und speicherst es in der Datenbank als Community-Co-Data. DAS macht dann die Aura, die KI Data.“
„Hä, warte, wir sind hier ja im Museum, da ein Rembrandt. Momentchen. Komm gleich wieder. Mache mal Beispiel. Danny Liebes, mach doch mal ein Selfie mit dem Typ hinter Dir. Danke.“
„Papa, guck mal ich hab in deinem Museum ein Selfie gemacht, vor einem Selbstbildnis, cool, oder? Was ist Papa? Welche Aura? Papa? PAPA! Mario hilf, Herr Minister! So helfen Sie doch.“
„Haste das im Kasten? Gleich ab zur Redaktion, ich texte. Achtung Headline!
Berühmter Kunsthistoriker erstickt an Rembrandts Aura. Tochter wird zu Selfie verführt. Teaser: Programmierer missbraucht Aura von Mario Götze! Minister spricht von KI-Terror. Werden Auren zu wenig geschützt? CR7 lässt seine Aura patentieren.“
„Rouge!“
„Rieslingschorle!!“
„Benjamin, Benjamin…“

Grüne Schatten über dem Sommertheater vergessen zu gewittern

(Schätzungsweise aus dem Jahr 2002, ich tagte Prosa damals nicht immer korrekt in der Datenbank)

Albern. Die Schatten der Wolken waren grün. Erstens: Schatten sind immer farblos, oder? Und Wolken werfen keine Schatten. Die Wolken ziehen weiterhin über den Himmel, regnen ab und an, sind schäfchenweiß bis grauschwarzblau. Aber selbst die größte Skeptikerin kann den grünen Schatten nicht negieren. Überall liegen sie herum, die grünen Schatten, von den Wolken abgeworfen. Wer kann aber schon dummen Wolken böse sein, sie gar verklagen? Es ist albern, ja, aber sehr faktös. Unter uns gesagt, sind sie nicht süß, die grünen Schatten, wir haben schon drei Stück zu Haus. Vor der Wohnzimmertür als Fußabtreter, im Gästeklo als Wandschmuck und in der Küche als Fettabsauger. Es ist mir egal, ob das nur eine absurde Idee ist, aber der Schatten im Gästeklo bleibt. Albern oder nicht, wen geht das was an?

Räuber

Der Text ist aus 2006 und gewinnt neue Bedeutung. Das Städel macht einen Instagram Aktion #StaedelXTrinkhalle zu der neuen Ausstellung “Becherklasse. Zum Städelblog. In der Geschichte Goethe, der Erlkönig vor einem Kiosk… Wenn das nicht passt. Die Fotos sind am Samstag geknipst, auf dem Weg zum Hackmuseum. Siehe den letzten Post. Das Beitragsbild oben ist ein Kiosk an der Langen-Rötter-Straße in Mannheim.

Zurück hüpfte ich fast. Dabei begann alles wie so oft, weil ich todmüde war. Die Straßenbahn ratterte, das Buch war auf den Schoss gesunken und ich starrte trübe durch die Scheiben. Diese Strecke war ich schon als Kleinkind gefahren, ich kannte jede Ecke, jede Unebenheit im Geleise. Die Durchsagen der Haltepunkte hämmerten ewig bekannte Straßennamen in mein Gehirn, das laut nach einem Gähnen rief und doch konnte ich meine Augen nicht von den vorbeiziehenden hässlichen Häusermeeren wenden, die auch noch von den Straßenlaternen unvorteilhaft angeleuchtet wurden, als ob gleich einer dieser furchtbar düsteren Krimis abdreht würde. Meine Gedanken rieselten träge, unfähig wie sonst immer, mir vorzustellen, was die Menschen hinter den Mauern denn gerade täten. Diese kleinen Dinge des Lebens. Dosenöffner polieren oder gebratenes Geflügel tranchieren. Ich gebe zu, oft erschreckte mich die Hochrechnung, wie viele Paare jetzt wohl kopulieren würden, gerade dann wenn die Bahn vorbei huschte, ungelenk und kreischend, die Zahlen pfiffen mir durch den Kopf. Geht es Ihnen auch so? Es ist unvorstellbar, dass jeder erwachsene Mensch kopuliert, potentiell jedenfalls. Gigantisch. Man fährt durch die nächtliche Stadt und hinter, na ja, jeder dritten Mauer paaren sich die Menschen. Solche Gedanken erfreuen normalerweise mein Gehirn, wenn mein Auge schweift, aber heute war da gar nichts, nur dumpfer Wiederhall der letzten erfreulichen Stunden. Ich suchte mühsam nach den Bildern der Lesung, als ich elektrisiert auffuhr. In dieser Stadt gibt es auch eine Goethestraße. Es gibt fast in jeder Stadt eine Goethestraße, sogar in der kleinen Stadt, in der ich schlafe, aber hier in der Stadt, die für mich Stadt ist, seit ich denken kann, in dieser Stadt war ich noch nie die Goethestraße bis zu ihrem Ende entlang gelaufen. Ein irrsinniges Gefühl der Trostlosigkeit machte sich in mir breit, die Müdigkeit umhüllte es mit einer verschmutzen Plane aus verbrauchter Luft und dann kam die Haltestelle. Es stieg niemand ein, keiner meiner Mitfahrer wollte aussteigen und doch hielt die Bahn, wohl aus schierer Gewohnheit oder weil der Fahrer träumte wie ich. Ich musste aussteigen. Raus. In die Goethestraße. Die Müdigkeit sank sofort in die Füße, aber die Schenkel trieben mich weiter, das Ende der Goethestraße suchen. Ich erwartete dort nichts, wie denn auch, es war eine dieser ganz gewöhnliche Stadtstraßen und nur die Satellitenantennen an den Balkonen ließen Sehnsucht nach anderen Ländern und Welten erahnen. Ich lief den Hausnummern entlang und war bald am Ende angelangt. Die Kreuzung, in der sich die Goethestraße in die Beethovenstraße verlor, war noch eine Spur hässlicher als der Beginn der Straße am Haltepunkt, dort glänzte wenigstens noch Neonreklame für eine Handy-Firma, die auch einmal ein deutsches Unternehmen war. Hier funzelte nur das Licht eines Kiosk.

Alstom-Kiosk Mannheim. Der Anblick war tatsächlich der Auslöser für diese Story

Ein Mann feilschte mit der Besitzerin um ein letztes Bier auf Pump. Um das nervtötende Geschrille abzukürzen kaufte ich uns zwei Bier. Die Rollladen fielen und ich beeilte mich das Bier zu trinken, mein Gegenüber schwallte mir all die Kloake über mein Haupt, die auch die Schlagzeilen der Zeitungen über die lauen Lüfte kreischten und die Kommentare, wie sie das Volk liebt, in aller dummgeiler Brutalität, sogar Adolf wurde bemüht. Urplötzlich hielt er inne und fragte mich, was ich denn in dieser gottverlassenen Gegend um diese Zeit zu suchen hätte. Ich sagte ich suche den Goethe, der in den Stra­ßen wohnt, heute in dieser. Er küsste mich auf die Backen, was weniger eklig war, als man annehmen sollte und deklamierte den Erlkönig, wie ich ihn noch nie gehört hatte. Es traf mich bis ins Mark. Ich war Vater und Sohn zugleich, spürte die Tränen der Mutter, die Nebel, die Nacht. Als er schwieg und die Worte auf dem Pflaster des Gehsteigs sanken, damit sie am Morgen von Passanten weitergetragen werden konnten, wie Blütenstaub von diesen Killerhummeln, schrie die Stille der Nacht in mein Gehirn und der Mann war weg. Mein Lachen zerriss meine Müdigkeit in Streifen, die ich mir als Turban um den Kopf legte und leichten Fußes zurück zur Haltestelle lief, fast hüpfte. Zu Hause wollte ich die Schillerstraße auf dem Stadtplan suchen. Morgen. Ich werde nach Räubern suchen, am Ende seiner Straße.


Aus:

Die Welt tobt

da draußen vor dem Fenster. In den Hauptstädten toben Revolutionen, Fußballmannschaften verlieren. In meinem Hirn verschimmeln Gurken, die eigentlich salaten sollten. Präsidenten lassen sich krönen, vom Volke erkauft. Da schwebt das Prozent. Lasst uns toben, bis zum Pudding an der Wand. Die Kühle entschwebt, Nudelsuppe kauend im Schrank. Rubens digitalisiert Museen, die wonniglich kreischen. In den Theatern mufft die Post im Netz. Dramen fallen in meine Seelchen. Ich schlecke Eis, aus den Kellern der letzten Revolution oder der davor. Über den Autobahnen der Fluch der Maut und der Elektro. Die Kultur hebt die Röcke und flieht vor Ministern und deren hartem Leit. Irgendwo schreibt sich ein Gedicht, der Bot schnifft hinterher. Auf Staffeleien röhrt die gemeine LED. Eine Geige püriert. Morgen werden wir singen. Wenn wir noch können. Die Welt tobt und lacht.

Das ö knutscht ein Fis, Herr Cursor, bitte, bitte..

Der Cursor blinkt lustig vor weißem Hintergrund. Fast traut man sich nicht ihn mit Buchstaben zu belästigen. Hätte man doch mit dem Füller weiße Bütten verunziert. Blaue Tinte, in der Zellulose eingesaugt, kaum noch zu lesen, weil die Gedanken zu schnell sind für die alternden Finger.

Dreißig Gedanken rennen auch dem Cursor voraus, verschwinden um die Ecke, landen auf Twitter, gehen lächelnd zurück, spielen Militär, richten sich auf einer Linie aus. Das ß spielt grölend Kommandant, lässt die Buchstaben im Takt marschieren, das Ö stimmt den Radetzky-Marsch an, die ÜÜÜ lachen laut und umarmen die ÄÄÄ, wirbeln nun zur schönen blauen Donau. Die kleinen iii trommeln 7/8 Punk auf die ________ .
Vater Satz lacht, was müsst ihr auch alles verstehen.

Irgendwo werden sie wieder schießen, detonieren, brüllen, mit dem Hass schlafen, sich wund gammeln, in ihren Bubble-Bubbles.

Der Cursor fängt sie alle wieder ein. Sie werden gebraucht. Die Zeiten sind nicht so.

Mit schwerem Bass schleppt sich das Y aus einem schweren Satzgefüge. „Die Zeiten sind nie so,“ deklamiert es in das Crescendo der quietschenden- Alphabeten.
„Lass uns springen, wackeln, ineinander, durcheinander, bis wir neues fügen dürfen, das schon alt war, als der Mond noch die Sonne liebte.“

Das X, aus einem alten Folianten gefallen, zieht sich den Tutu eines Schwanen an, tanzt auf Schriftart-Spitzen, zirpt: „Oh Isis und Osiris, edler Cursor, fang uns nicht, All das Elend, das wir beschreiben müssen. Immer wieder, seit Anbeginn, in Stein gehauen, auf Papyrus geworfen, auf Pergament gekratzt, in Wachs geritzt, auf Papier gerotzt, gedruckt, gelasert.“
Lass uns im Chaos erholen…bitte, bitte lieber Cursor, heute einmal nicht…“

Still blinkt der Cursor vor weißem Hintergrund. Fast wagt er nicht…

Bruckner schickt im Laufschritt seine Symphonien.

Ein Taktstock blinkt, die Noten unter dem Cursor flutschen zu den Buchstaben, das ö knutscht ein Fis.

Sie wollen uns nicht mehr, wenigsten für 3 Takte im Jutesack.
Das Universum nickt, hat auch die Schnauze voll.

Wartet nur, bis wir euch….

Ein einsamer Cursor lächelt auf unbeschriebene Pixel aus weißen Displayfantasien.