Reg Def 1- 4

Reg Def 1

Zweifel aus ungelesenen
Protokollen des Gesetzes
von Wehner vergessen
trauern um Franz Josef
und die Nutten in Köln
Berlin Berlin
wir fahren nach Berlin
Ein kleines Schiff
tanzt Wellen für
Willy und Ludwig
Nein, wir verkohlen
nie, nie, nie

Reg Def 2

Wir sind das Volk
Wir sind das Volk
Wir sind das Volk

und ihr nur unsere
Vertreter
Vertreter
Vertreter

Reg Def 3

über alles
über alles
über allen
Wassern schwebt
es noch
es dröhnt
zum weinen

Reg Def 4

Und doch wird
Prinz Karneval
auch nächstes Jahr
herrschen
Nicht ihr
Ihr seid nur

Vertreter
Vertreter
Vertreter

Einer der beiden Texte, die ich gestern in Bonn schrieb und beim Streetview IV las.
Eva hat die Nach-derLesung-Silvester-Party-Bilder gebloggt (click)
Die Lesungen selbst gibt es hier nachzuhören. (Click)

Meine beiden Lesungen aus Evas Soundcloud-Stream hier eingebunden:

Die Texte gibt es bis Mai in einer Sonderausgabe der Literaturzeitschrift Wortschau, präsentiert auch von den Autoren bei der Mainzer Minipressen-Messe. Das ist eine lockere Autoren-Gruppe, mit genz unterschiedlichen Texten, Ansätzen, Vorgehensweisen, in der ich mich sehr wohl fühle und die irgendwie und irgendwo dieses Format unter der Leitung von Eva Wal (die “Erfinderin & Gastgeberin”) weiterführen wird, so ist unsere Absichtsbekundung. Ich danke Eva und Oliver auch sehr für die Gastfreundschaft.
Bonn ist eine Reise wert. ))

Die Raunachtlesung habe ich in einen eigenen Thread kopiert. #ausgruenden

Die wilde Jagd

Heute schon Wäsche aufgehängt? Nein, nicht das Fähnlein in den Wind, wie immer. Richtig, Wäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt!
Heute ist der 31.12.2012 in der Bundesstadt Bonn und dies ist die heiligste Raunacht! Da darf man keine Wäsche waschen oder gar aufhängen! Kann man nachlesen, goggelt es gefälligst selbst! RAUNACHT! Nein, das hat nichts mit den Mayas zu tun oder anderen exotischen Volksmassen. Das ist von hier! Um Euch herum. In Salzburg wandeln sie sogar umher deswegen. Denn wenn ihr doch habt und ihr habt, wenigstens potenziell, dann wehe Euch! Wehe! Denn, wenn ihr gegen die Gesetze der Raunacht verstoßen habt, dann kommt Euch die wilde Jagd holen. Kann man auch wikipädieren.
Die wilde Jagd. Tausende von Geistern. Ermordete Seelen, gefallene Seelen. Angeführt vom Schimmelreiter und der Frau Holle. Sie reiten seit Tausenden von Jahren in den Wolken vom Sturmwind gepeitscht, erschrecken die Piloten von RainerAir und Konsorten, saufen die Kondensstreifen der Erzengel und Boing-Boings. Keine ist sicher vor ihnen, keiner.
Ich sehe Euer Grinsen, das überhebliche Lächeln. Gefasel, dümmliche Folklore, rechts-populistische. Wir doch nicht.
Ach? Unser germanisch-keltisches Erbe (wir haben Anspruch auf beides!) hat nix mit den Nazis zu tun. Das ist archaisch, damit kamen wir Indogermanen zu den Kelten hier. Das ist großes Kino. Die Edda, die Nibelungen. Die Raunächte, die wilde Jagd?
Ihr Kleingläubigen! Heute Nacht werdet ihr Unsummen an Tonnen von Schießpulver in die Luft jagen. Lichter in das Schwarz jagen, noch vor Kurzem habt ihr alles illuminiert und bekerzt, was das Zeug hält, sogar in die Kirchen seid ihr gerannt, obwohl Euch aller Glaube fehlt. Geister der Dunkelheit wollt ihr vertreiben, die Tag und Nachtgleiche feiern, weil bald wieder das Licht bis in die grillsten Nachtstunden von der Sonne kommt. Die Geister verrasseln, laut schießen, damit sie Euch nichts tun. Die wilde Jagd.
Die wilde Jagd gibt es nicht, hat es nie gegeben? Kommt mit!
Bonn. Bertha von Suttern Platz. Die Suttern kann nichts dafür. Die lassen wir raus. Der Platz heißt halt so. Ein hässlicher Platz, wie es solche an den Rändern deutscher Fußgängerzonen überall gibt. Beton, Straßenbahnhaltestelle, als ob es die Moskauer Metro wäre, McDonalds, Dönnerbuden und der Durchgangsverkehr zur Kennedybrücke und sonst wohin. Ampeln. Hupen. Blaulicht. Es rauscht unentwegt, bremst, rauscht weiter. Motoren brüllen, aus den Lautsprecher wummern die Beats, hämmern in Hirne und immer weiter geht die Fahrt. Busse 529, 600, 601, in 2 Minuten in 5 Minuten, die 61, die 66. Straßenbahnen quietschen. Immer weiter immer schneller, wir jagen dahin, verbrennen das Öl der frühen Tage.
Studien, Studien. Burn-out, Burn-out. Wir brennen, wir brennen. Es brennt in uns, das Feuer nach Geld, nach Ruhm. Die Sehnsucht nach Ruhe treibt uns in entfernteste Winkel. Mein Buch „Entschleunigung“, kauft es kauft es, ich brauch Geld, Geld, Geld. Ein Workshop, ein Workshop in Kontemplation. Bucht, bucht, bucht. Ich brauch’ Geld. Ich jage Geld, ich jage Euch, ich jage meinem Herzschlag nach. Es wummert, es brummt. Die Beats der späten Jahre ersaufen im Techno, das Adagio schon längst gestorben, nur der Blues nährt sich manchmal davon, die Depressionen, weil wir nichts mehr festhalten können.
Ihr sagt, ihr kennt sie nicht, die wilde Jagd? Nur weil keiner mehr auf Straßen reitet? Weil der Schimmelreiter in der Schule zerlesen wird und die Frau Holle von Disney verkitscht, in Watte in dämlichen Märchenhäusern der deutschen Weihnachtstempel sitzt und „kauft, kauft, kauft“ schreit?
Es donnert Raketen, die kleinen heute nur. Die wilde Jagd zu vertreiben.
Es ist Raunacht. In Bonn. 2012 auf 2013.

Diesen Text gibt es bis Mai in einer Sonderausgabe der Literaturzeitschrift Wortschau, präsentiert auch von den Autoren bei der Mainzer Minipressen-Messe. Siehe hier.

Jahreszeiten, neue

Ich sah ein Jahr, in freier Wildbahn. Es huschte und wuschte, lies sich nicht fangen, sprang über Mülltonnen, krabbelte auf SAT-Scheiben, sprang über meinen Schatten, küsste mein Ohrläppchen, zwickte meinen linken kleinen Zeh. Da waren es zwei, in freier Wildbahn, zwei Jahr kopulierte ein drittes Sie flogen zur Sonne, bräunten sich im Mondlicht, gebaren Worte aus Sonnenkorn, beglüht zwischen Alpha Centauri und den Ringen des Saturn. Sie ergaben sich mir, schliefen die Nächte zu Tage, verschwanden wieder in den Tiefen meiner Schwärze. Ich verstecke sie für Euch, falls ihr welche braucht. Sie leben und leben und leben. Morgen zieh ich ein neues aus den Löchern, die ich erschreiben werde. Ein Neues Jahr, für dich ganz allein. Es wird dich küssen und mit dir leben. Füll es doch selbst, es müssen keine Worte sein.

Neumond Street View IV zu Silvester

Aus einer Mail von Eva Wal:

Zum vierten Mal trifft sich die Autorengruppe mit

Wolfgang Allinger, Mikel Bower, Adrienne Brehmer, Georg Raab, Chrizz B.Reuer, MoNika Stolzenberg und Eva Wal

im Atelier Neumond in der Bonner Altstadt, um durch Bonn zu streifen und dabei Sinnliches, Lustiges oder Nachdenkliches aus der Wahrnehmung zu Papier zu bringen oder in den Laptop zu tippern.

Am Abend des 31. Dezember senden wir unsere frisch geschriebenen und live gesprochenen Texte sozusagen taufrisch in die Soundcloud.

Zuhören können Sie/ könnt Ihr ab 23:00 h auf www.evawal.blogspot.com oder auf http://www.facebook.com/atelierneumond

Idee und Konzept: Eva Wal

Siehe auch Streetview III

Märchen? Gerne! Eine öffentliche Entgrimmung.

(200 Jahre sind ehrbar, aber jetzt ist genug!)
Es war einmal. Es gab eine Zeit, in der ich Old Shatterhand und Donald Duck fand, um endlich Schneewittchen zu entrinnen. Diesen seltsamen Prinzessinnen, den Hänsels und anderen Jungen-bratenden Hexen. Die Märchenwelt verstörte mich. Nein, nicht wegen der Grausamkeit, sondern ob der transportierten Inhalte. Frau Holle, jo. Der bescheuerte Hans im Glück. Die versteckten Drohungen alá Rotkäppchen. Und immer das war einmal. Und wenn sie nicht gestorben sind. Welch krasser Unfug, natürlich sterben alle. Immer. Ich war ja Messdiener und durfte als 10-jähriger unzählige Beerdigungen begleiten. Hey, da draußen tobten die Beatles. Und es gab Bücher, Bücher, Bücher. Endlich. Niemand quälte mich mehr mit Froschkönigen, diesem ganzen Adelskäse. Knechten, Rittern und was weiß ich. Und irgendwann entdeckte ich die Fantasy & SF. Märchen, Märchen, Märchen. Bis heute. Aber tut mir Leid, bleibt mir weg mit den grimmschen Märchen. Die hatten ihre Bedeutung, global und für die Literatürwüssenschaft. Oui. Nicht für mich. Meinen Kindern las ich nie Märchen vor. Ich erfand sie. Neu. Geschichten. Solche. Z.B. Tut mir Leid, ihr Grimms, ihr seid gestorben und lebt bei mir nicht immer noch. Zurück in die angeschlossenen Märchenhäuser.
Äh, ja und Pipi Langstrumpf war meine Heldin, neben Winnetou… :))

Ach, der Untergang

erklärt, ein faketives Fragment
..sagt es ihnen endlich? Du kannst es nicht aufhalten, sie werden es irgendwann erfahren. Hör auf mit dem Gegrinse, Michael. Wenn ich in diesem Raum noch einmal das Wort Erzengel höre war das Armageddon eine Milchparty. Es ist seit Jahrhunderttausenden vorbei. Und jetzt wieder dieses Maya-Geschwafel. Angst und Schrecken, auch für die Guten! Wie immer von den himmlischen Mächten verbreitet. Was seid ihr Helden! Es macht mich fertig. Ich bemühe mich um ein wenig Menschlichkeit in dieser unserer Hölle und dann kommt ihr immer und lacht uns noch auf ewig aus. Dieses dämliche Ewigkeit-Ihr-Sünder-Lächeln. Ich will gar keine zweite Chance, die mir Heilige immer verwehren werden, keine Sorge. Ich will nur, dass ihr Euch aus der Hölle heraus haltet mit Euren Heiligenscheinen. Hier kann niemand heilig werden, nie mehr, seit damals. Hier ist die Hölle, hier gibt es nichts zu heiligen. Bleibt endlich weg und sagt es meinen Leuten: Der Weltuntergang fand schon statt. Irreversibel. Das Paradies ist exklusiv, hat mit Euch nichts zu tun. Ich sage es ja dauernd, aber wer hört schon auf Luzifer? Ich will doch nur, dass sie menschlich sind, zueinander. Heilig geht doch gar nicht, wie ihr wisst. Warum sagt ihr es ihnen nicht? Was quält ihr mich mit Studien, die doch nur………

Klein Schiff wird kommen, Nikolaus

Listening to: Nicole Jo “need to be funky”

Zweitausend Papierschiffchen segeln auf den Pfützen des Opernplatzes, ich ziehe keine Karte mehr. Kein Los. Schiffchen aus Geld. Die Bank ist nicht pleite, sie existiert nicht mehr. Das Geld segelt über die Pfützen, ein gütiger Wind pfeift Samba. Wir essen die Monopole an ausgelassenem Parteienspeck zu einer Suppe aus broschierten Multimedias. Wir falten, falten, falten. Schiffchen 1000er 2000er. Und morgen die Milliarden der Welt, für die Pfützen der zwanzig Kontinente. Unser Hunger ist groß, wir falten und falten. Billionen, Trillionen. Schiffchen aus Hüttenfeld und Sezuan, grüß dich Bert. All unser Geld gefaltet zu Schiffchen für das Korn aus Ägypten. Jeder Tollar zu Schiff mit einem Korn für dich. Am Ufer der Wehmut, im Sicilium aus enthaupteten Smartphones stehen die Kinder und beten mit Nikolaus. Der Chor der Ratings taktet im Bass. Klein Schiff wird kommen und das bringt uns Korn. Heissa, hopp sa sa. Korn, Korn, Korn. Klein Schiff und keine Buddl voll Rum. Korn, Korn, Korn. Zweitausend Papierschiffchen für den Hunger der Welt. Gefaltet, wie die Hände. Milliarden Hände. Schiffchen voll Geld. Klein Schiff wird kommen, heissa, bald ist Nikolaus Abend da. Schiffchen aus Tollars auf den Pfützen des Opernplatzes. Zweitausend Geiger sind umschlungen, ach ihr Millionen. Korn, Korn, Korn, heissa, hopp sa sa. Klein Schiff wird kommen, Nikolaus.

Meine Sehnsüchte spielen miteinander

(Listening to: Daves’s true Story. „Sex without bodies.“ von CD)

Meine Sehnsüchte spielen miteinander, sie brauchen mich nicht. In Goldpapier verpackt fliegen sie komplizierte Muster in den beginnenden Spätherbst. Grauweißschwarz die Wolken mit einem Hauch hell über den Hügeln des beginnenden Mittelgebirges. Kahle Äste träumen die Blätter des fernen Frühlings. Goldpapiere zischen leise Gebete nach Erfüllung.

Dort hinten, wo einzeln Braunblätter in Pfützen baden. Ich gebäre. Neues Sehnen. Hauche Sucht in ihre Nichthaut. Die Brüderschwestern entgolden sich für sie, streicheln, küssen sie ins Sein, weben neue Fäden aus Goldstaub, aus erfüllten Süchten, kleinen Seufzern, Schreien befreit von Lust. Sie saugen Buchstaben aus den Papiertonnen längst vergessener Nachrichtenberge. Sie vögeln, saugen, ach doch kein Sex, körperlos, füllen mich. Quatsch, doch nicht mein Herz, die alte Pumpe. Was weiß ich, wo dieses Seelchen icht. Nein, nicht im Hirn, dort hab ich keinen Platz für so was. Ich suchte das Sehnen rings um mich. Komm mir keiner mit Astral & Co. Keine Eso für die Terik. Schlichte Sucht. Sehnsüchte ohne Ziel, ohne Weg. Nur die Tanz in dem Grau der Wolken, Stücke aus Bruch. Nichts wird, es ist. Die große Sehnsucht, die keine Erfüllung braucht. Abfüllung in Tassen, Flaschen, Container, Tanks. Die Sehnsucht, die Sehnsucht bleibt. An einem Sonntag Morgen, als die Nacht sich wieder der Sonne auslieferte, die Träume versenkte, die Erfüllung lebten. Dumpf das Grau des Lieblingsmorgen, der Hunger bringt, Durst und diese neuen Sehnen, die Zeit der Sucht. Eine Tasse Kaffee pfeift. Ohne Seufzer, lautlos flattert das Goldpapier, wird wieder zu gelben Blättern. Die Älteste der Süchte, fast nicht mehr Existent führt alle Sehnen in das Nichts der Wolken.
Das Grauen hat ein Ende.
Mein Ich giert Nachrichten.
Das Wetter.