Dies war mein Beitrag zum Mannheimer Heinrich-Vetter-Literaturpreis 2008
Lisa. Nichts sonst. Lisa. Keine Zwanzig mehr, nein, aber trotzdem 20 Jahre jünger, oder waren es nur 15, sagen wir 10? Lisa. Genügend Falten winden sich um das Kichern, deuten, führen, wollen, singen. Wissen sorgt sich um Lachkrähen, Linien schärfen sich am doppelten Kinn. Lisa, Augenblicke, Lisa. Blitzen, erinnern, röten, Händchen, schweissen, nässen, führen. In Hosentaschen zu zweit, spielen, daumen, schenkeln, die Hand. Läppchen ohren Küsse. Zungenspitz auf Fingerspitz.
Pflaster betreten, belaufen, erschreiten, ersohlen, berücken, begreifen, erblinzeln, ereilen. Pflaster, Hände, Augen, Münder. Lauer Wind haucht glatze Haut. Aufkeimende Arthritis im Spiegel der geprusteten Nebel. Lisa, einsilbergestreift, Lisa, mit einzig Leberfleck auf funkelnden Handrücken, mondlicht-gebräunt.
Alle Takte synkopen im ungedrillten Gleichschritt, Atemzüge synchronisieren rosa Wölkchen aus frisch gedampften Nebel. Straßennamen singen, Hausnummern tanzen, Treppen steigen zum Beat der Pumpen-Schläge mit heißem Blut. Brüste reiben, Schenkel treiben, Schuhe fallen, Knöpfe entlochen, Verschlüsse reißen. Worte, in Speichel gekocht, rinnen an Wimpern. Und die Zeit stillt sich am Moschus der angebeteten Ewigkeit.
Keuchend wandte er sich ab und wünschte er hätte nie aufgehört zu rauchen. Nichts und diese Tabletten, die es jetzt gab, könnte er sich nicht leisten und außerdem, bei seinem Blutdruck ginge das wohl gar nicht. Er hat noch nicht einmal danach gefragt. Überhaupt, fragt man eine Ärztin so etwas? Wenn er noch rauchte, könnte er auf den Balkon gehen, jetzt, mitten in der Nacht, ja um 23:24 war das mitten in der Nacht für ihn und er müsste nicht in die mitfühlenden Augen von Lisa blicken, die ohne Vorwurf fragten, ob sie denn noch etwas tun könne und sogar die Zunge über die Lippen bei geöffnetem Mund spielen ließ. Wenn er nur rauchen könnte, entschwinden könnte, sterben könnte. Seine Scham kam in Wellen, brandete an Leinen, schluchzte, hüstelte, ließ ihn nicht mehr frei. Gefangen in seinem Versagen versiegten die Worte,nur Lisa gluckste in kichernden Falten und zählte laut seine, küsste die Leberflecke und malte Herzchen auf seine Glatze.
Die Ewigkeit beschwor sie und schenkte ihm Zeit, entließ die Worte aus dem Speichel, kühlte sie zu Sätzen, riss an den Schlüssen, stopfte die Löcher, besohlte die Schuhe, trieb Schenkel aus Betten, brüstete ihn rieb. Heißes Blut ließ sie beateln, ebnete Treppen, ließ Hausnummern schrumpfen, prägte Schilder zu Straßen. Lisa, zweisilbergestreift, funkelte im Mondlicht kleine Flecken.
Während er schlief flocht sie Bänder für ihre Wohnungsschlüssel, schwitzte sie in Händchen, rötete. Entträumte ihn lautlos. Nahm Maß an den Läppchen, versank im Cerscendo des Gaumenzäpfchens.
Ein Wort hing in der Luft, geformt aus dem Moschus der Zeit und der Morgen zitterte.
Bleib trommelte sie auf seine Brust mit großen Zehen. Sei ein Mann und bleib, trommelte sie, gerade deswegen.
Und dann gab es keine Worte mehr, keine Sätze, als ob es kein Ende gäbe, alles war Poesie, alles prosaisch, er war erreicht. Wer will schon Höhen wissen? Er war erreicht. Punkt.