(oder die Rückkehr der Gretchenfrage)
(Keine Rezension, wie schon gesagt, sonder die Beschreibung meiner Wanderung durch die Welt der Bürgerbühnen, meine innere Theaterimmigration öffnend. Mehr davon gibt es hier.)
Vorgestern im Nationaltheater Mannheim im Rahmen des 2. Bürgerbühnenfestes “Die Lücke” vom Schauspiel Köln.
EIN STÜCK KEUPSTRASSE VON NURAN DAVID CALIS Schauspiel Köln. Ein Stück mit eigenem Blog, auf der Website des Theaters, da scheint sich einiges zu tun in Köln, zwar mit nur wenigen Einträgen, aber immerhin!
Meine Begeisterung musste ich natürlich gleich meiner Twitter Timeline mitteilen.
Die Lücke vom @schauspielkoeln ist ein großartiges Stück Theater, das morgen noch einmal beim #buefest im @NTheaterMA läuft. Hingehen!
— Michael mikel Bauer (@mikelbower) 24. März 2015
Die Lücke vom @schauspielkoeln ist emotionales und doch rationales, politisches Theater. Läuft morgen noch einmal im @NTheaterMA #empfiehlt
— Michael mikel Bauer (@mikelbower) 24. März 2015
Das war wirklich großes Theater! Eine hervorragende Arbeit von Nuran David Calis. Muss ich mir merken, den Namen. Er steht auf der Website des NTM nicht als Autor, sondern als Regisseur, tritt zurück hinter das Text schaffende Kollektiv. Partizipatorisches Theater. Es war erregend zuzusehen, wie das Schauspieler-Dreigestirn sich auf die Keupstraße begibt und lernt. Zuletzt die Wut der Keupstraßenbewohner teilt, sie vorantreibt, schier verzweifelt an der staatlichen Dummheit, Borniertheit, dem Rassismus in Staatsanwaltschaft und Polizei, der unglaublichen Arroganz des BI, der früher die RAF verteidigte, der Verzweiflung an dem Staat im Staate der vielen Geheimdienste, die scheinbar nicht von der Politik kontrolliert werden können. Die Lücken in der Erinnerung der Geheimdienstler vor Gericht, der Lücke in den Akten, die geschreddert wurden, die Angst, dass angesichts diese absurden realen Dramas um die NSU-Morde, die nach 10 Jahren noch gefühlt zwölfzig Untersuchungsausschüsse beschäftigt, die im Nichts wühlen, dass das große Vertuschen auf eine viel breitere Bewegung schließen ließe. Man hat da in Deutschland ja eine eindeutige Vergangenheit.
Ein Stück mit großartigem Bühnenbild, das „die Lücke“ auch optisch darstellt, klug inszeniert. Das Fahrrad als Symbol für den Nadelbomben-Film, der doch so ganz vieles zeigt, aber auch als Vehikel Bewegung in das eigentliche „Kammerspiel“ zu bringen, zum Beispiel. Großartig die Gretchenszene (doch doch, das erinnert sehr an das faustische Erforschung der Religiosität), als die Kreupsträßler stöhnen, weil jetzt doch der Islam d’ran kommt und sie die sunnitische und shiitische Gebetsweise darstellen wollen und die Schauspieler das eher nicht ernst nehmen. Ich fragte mich, ob die Schauspieler auswendig einen Gebetsablauf eines Pontifikalamtes am hohen Dom zu Köln zustande gebracht hätten. Aber sagten die männlichen Keupler nicht eingangs sie tränken natürlich auch ihr Bierchen, nein sie nannten keine Kölschmarke :). Und dann werden sie so wütend, weil sie in der Moschee nicht ernst genommen werden? Ist die Integration am Rhein so weit fortgeschritten, dass es einen „rheinischen Islam gibt“? Wäre toll, denn der „rheinische Katholizismus“ war mir schon immer die liebste Variante, wenn das mit der Religion denn schon sein muss, in der „abendländlichen Version“. Aber off topic: Ist das Unbehagen an dem „Islam“ nicht eher die Angst, dass unsere Emazipation von Gott und Kirche, die wir schon lange als Gesellschaft mehrheitlich vollzogen haben, jetzt wieder unter Druck gerät, aber wer will liest da hier weiter: Gebete eines Agnostikers #7 Engel und die Politik
Wie gesagt, großes Theater, ich war geflasht. Und doch nagte da etwas.
Ich war bei einem Podium gestern zum Thema “Dialog statt Fremdheit – Dialog durch Kunst”. David Calis war mit dabei und eine leibhaftige Ministerin, samt Kultur-Redaktion des hohen SWR2. Calis erklärte das mit der Kunst anhand seiner Biogarfie, wirklich ganz uneitel und dann fiel das Wort: “Hochkultur”. Die Keupstraßenbewohner wurden von der Hochkultur aus der Subkultur gerettet. Und ich war innerlich auf 80. Man kennt das ja bei mir Und mir wurde auch klar, was mich wirklich störte an der Lücke, es war der Titel und das hat mit dem Stück nichts zu tun, sondern mit Theater insgesamt, seinem Selbstverständnis, auch in seiner nun zunehmend migrantischen Ausprägung.
Zu diesem Zwecke begab ich mich in das Publikumsgespräch zum Stück im Theatercafé. Zufällich traf ich einen Bekannten, der gerade im Theater war und seine Begleitung und setzten uns an einen Tisch. Als die Diskussion für das Volk dann offen war spritzte die Dame (auch mit Hintergrund, wie ich später erfuhr) auf und monierte sofort die “Hochkultur”, was einigermaßen ungnädig aufgenommen wurde und dann konnte ich nicht anders, als meine Erkenntnis von vorhin heftiger als geplant mitzuteilen. Die Schauspieler hatten sich erklärt, dass sie da stellvertretend für die Mehrheitsgesellschaft auf der Bühne standen und versuchten die Lücke zu überwinden. Hä? Sie standen da stellvertretend für das Theaterpublikum ja. Aber die gesellschaftliche Mehrheit kennt keine Lücke, zum mindest nicht, wie sag ich das jetzt, bei der werktätigen (so ein schönes Wort) Bevölkerung. Denn die hat diese “Begegnungen”, seit Jahrzehnten tagtäglich. Bei mir auch gerne in unzähligen Nachtschichten in diversen Fabriken. Fragt Lehrer, fragt Krankenschwestern, fragt…… und ich pöpelte noch den 2.Teil meiner Erkenntnis: Wäre die Crew zu Ford in Köln ans Band gegangen, hätten sie die Experten gefunden, die das schon ewig verhandeln. War ungerecht, musste aber sein :). Denn wie Memet eigentlich nicht ins Theater geht, Karl tat es auch noch nie. Das Theater war noch nie für die Fabrik da. Es war “Hochkultur” für die Mittel- und Oberschicht. Aber ich will fair sein. Man bemüht sich, es gibt ja Bürgerbühnen. Vielleicht kann man ja mal was mit Betriebsräten inszenieren. Tipp: Den DGB als Sponsor an Land ziehen. Da ist Geld da. Und ja, den eigenen Personalrat mit einbeziehen. Theater als Arbeitgeber :)))
Vorläufig bringt “Die Lücke” aber das absurde Drama um die Unfähigkeit des Staates die NSU-Morde wenigstens aufzuklären, unseren inneren Rassismus spiegelnd, unsere Unsicherheit miteinander umzugehen spielend noch hoffentlich noch lange auf die Bühnen dieses Landes, vor dem Publikum, das nun einmal da ist.
Auch off topic:
Denn das Theater an sich hat andere Sorgen, im Spiegel der Gazetten. Diese Debatte ist so absurd, zeigt den Elfenbeinturm der Volksbühnen-Schlingensief-Axolotls-Hegemann-Feuilletons bestens…. Das geht auf Twitter seit Tagen, Sybille Berg spielt da auch mit und, und und..
Die Spekulationsmaschine in Sachen #Castorf-Nachfolge läuft heiß – heute plaudert der Tagesspiegel einen Namen aus: http://t.co/Q1nFVfCy9G
— nachtkritik.de (@nachtkritik) March 26, 2015