Mein Beitrag zur #spätlese49 Motto “Lametta Lamento” im Theater Felina-Areal Mannheim, moderiert von Angela Wendt. am 17.12.2024
Vorwort
Als das Jahrtausend noch jung war und gerade sein erstes Jahrhundert geboren hatte, schrieb ich meinem jährlichen Weihnachtsfrust in zwei Blogs, fast täglich von Oktober bis Dezember, 2003 und 2006. Frust, weil ich mich dem wichteln und basteln nicht entziehen konnte. So bezeichnete ich mich als Weihnachtshasser oder – Phobiker. Obwohl es mir ja nur um die ja, äh, kapitalistische Varianten ging.
Vom Weihnachtsmann des Marktes Fegidia Süd. Vorschau 2,1
Gnadenlos geht’s es jetzt bald in die Endrunde. Die Besinnlichkeit fängt mich schon an zu pieksen und ganz langsam beginne ich nach dem Genuss von etwas Weinbrand, mit koffeinhaltigem Gesöff gemischt, mir Weihnachtslieder zu Hause vorzuspielen, von denen ich ab Mitte der übernächsten Woche an tagtäglich bedudelt werde. Ich schaffe es bereits wieder eine halbe Stunde zu ertragen ohne in Schreikrämpfe auszubrechen. Bis Samstag will ich soweit sein sie vollkommen negieren zu können. Nicht mehr bewusst zu hören, noch nicht einmal mehr als Geräusch. Damit mich alle recht verstehen: Ich habe überhaupt nichts gegen die schönen alten Weihnachtslieder, gar nicht. Sie sind ein wertvolles kulturelles Erbe, aber ich habe etwas gegen das Abgedudel, die ver-popisierung der ganzen Welt. Man könnte meinen, die Menschheit hätte Angst vor sich selbst, weil sie beständig, beständig bedudelt werden muss, selbst beim Käse kaufen. Ich habe Angst vor Jingle bells.
Von Daniel Maria Cornelius, dem fiktiven Lifestyle-Reporter des Magazins „Weiß-Blau“ 2006
Lichtlein brennt
Meine Einzige hat wieder zugeschlagen. Knallhart, kurz und effektiv. Denn heute ist der Tag. DER Tag, der erste Advent. Sie hat sich selbst übertroffen. Sogar ich bin platt. Sie hat 137 Adventskränze GESTRICKT. Einhundersiebenunddreißig. Durchmesse 95 mm. Darauf gesteckt solche violetten Minikerzen, wie man sie von Kindergeburtstagskuchen kennt und mit jeweils zwei Eicheln und Bucheckern bestickt. Sonst nix. Eine Kette aus 137 Adventskränzen zieht sich vom Wohnzimmer über den Gang durch mein Arbeitszimmer hinüber ins Bad und ins Schlafzimmer. 137 mal brennt jeweils eine Kerze, die sie nach der abendlichen Dusche im Bademantel schweigend entzündete. Sie trat an meinen Computer, nahm mich an der Hand und ließ mich die Lichter zählen. Laut, flüsternd, schweigsam. Sie hatte alle Lichter sonst ausgemacht. Ein Flackern aus 137 Kerzchen flutete unsere Bettdecke, die zurückgeschlagen war. Sie drückte mich nieder und singsangte leise. Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Manchmal liebe ich sie, die Weihnachtszeit, wenn meine Einzige sie zelebriert. Monschmol kenn isch misch selbschd nemmee!
Nun aus „Dezemberliebe“, dem Blog aus 2003. Mit dem Seitengeschreibsel „Worte des xmas.“
Worte des xmas, Prolog 0,0 1-2
Und Gott ersteigerte sich einen Sohn bei Ebay für all die Massen, die unter Adventsbäumen heimlich zu ihm beten. Es wurde Zeit für einen neuen Gottessohn. Einen erwachsenen Sohn wollte er haben, um ihn der Erde zu schenken. Es wurde Zeit, die erhöhten Gebete um einen neuen Messias füllten schon 3 Universen. Und er steigerte Gerhard. Er himmelte Gerhard vor 2 Tagen, nach dem ihn die Heaven’s Enterprise Logistics geliefert hatten und erdete ihn 2 Stunden später. Gerhard spielt seit dem Fußball in Stuttgart. Und er wird seine Mission erfüllen, wenn er, der Gott ihn weckt.
Worte des xmas, Leiden 567, 1-78
Wenn ihr nicht kauft wie die Kinder, werde ich Euch basteln lassen, bis Euer Geplänkel wispert. Hört ihr nicht die leuchtenden Augen rufen? Warum quält mich mein Volk, das ich so gern beraubte?
Worte des xmas Pressemitteilungen 1,1
In Kirchzarten-Himmelreich wollen die Stromdealer einen Wettbewerb ausschreiben: „Lights on in the Black Forrest, Cue, Cue”. Tausende von sowieso zersauerten Tannen sollen vor dem Dahinsägen mit transparent-leuchtenden Kuckucksuhren, Tonnen von Lametta ( noch aus alliierten Beständen vs. großdeutsche Flak ) und riesigen Weihnachtskerzen ( > 20 cm, enlarge your Candle truely) geschmückt werden. Die Schirmherrschaft übernimmt der Minischterpräsidentensektretär und der xmas.
Worte des xmas, Kernkraft für alle 4, 5-6
Unter dem Gabentisch fressen die Moleküle der Weichmacher des Verpackungsmaterials langsam die Jonen aus dem Lack des Parketts. Sie tanzen mit mir Samba und den Blues. Wir stechen Euch, die ihr xmas geopfert habt, begleiten Euch zu den produzierten Müllbergen und Sodbrennen und lachen und lieben uns.
Worte des xmas, Sozialkram 0,5
Und habt ihr Bedürftige in Eurer Mitte, die Euch nichts schenken können, so gewährt Ihnen reichlich Kredit und spendet dem Finanzminister die Zinsen, lasst auch die Ärmsten am Rausch des Schenkens teilhaben und am KAUFEN, KAUFEN, KAUFEN, denn Mein ist das Geld, die Rache und das verlängerte Wochenend.
Ich weiß nicht mehr genau, von wann das stammt. Ich schätze auch 2003. Könnte in einem sozial-romantischen Stück von Arte nach 23:00 verfilmt werden. Französisches Bistro in Koblenz, mit Schifferklavier-Gedudel an der Moselle, nicht Seine, gell.
Die Geschichte von einem Christkind, St. Martin, Nikolaus und der Liebe.
St. Martin saß glasigen Auges in dieser Pinte kurz vor 5 Uhr morgens, sein letztes, schales Bier stand nur halb ausgetrunken vor ihm. Eher belustigt denn schockiert sah er zu, wie der Nikolaus herzallerliebst das Christkind abknutschte, mit den Händen überall, außer in seinem Sack. Seit 2 Stunden saßen sie jetzt hier, völlig abgekämpft von der schweren Arbeit als Heilige, Gutmenschvorbild und Xmess-Stresser. Nach dem Ende des eigentlichen Adventsgeschäftes war es besonders schlimm. Die trüben Dezembertage vergehen kaum, nach dieser völlig bescheuerten Zeitumstellung, wenn die Abenddunkelheit das Gemüt wie ein Virenhaufen befällt und der zweite Feiertag, samt anschließendem Urlaub noch so Fern ist. Da tat es gut, wenigstens gemeinsam abzuhängen. Seit Jahrhunderten gönnte er sich diesen Luxus, fast am Endes des letzten Quartals, zusammen mit Nikolaus, diesem Schwerenöter, der immer hübschere Dinger zu seinen Christkindchen machte, diese war kaum 231 Jahre. Seit ungefähr 120 Jahren ging er ihnen auch an die Wäsche, vor 40 Jahren wollte er sogar heiraten, aber der Alte ließ es nicht zu, sein Zölibat gelte auch als Heiliger weiter, na ja, man weiß ja, was dann kommt.
St. Martin als ehemaliger Bischofskollege von Niki wusste, wovon er sprach. Er hatte diese Saison mit einer Verkäuferin für Laternen angebandelt, was ihn immer noch ein Grinsen abrang, wusste sie doch nichts von seiner Identität, er freute sich sehr auf den heutigen freien Abend, den er in ihrem Bett zu verbringen gedachte.
Er tatschte Nikolaus auf die Schulter und dem Christkind auf den Hintern: “Auf lasst uns gehen, die Haia ruft”. Das Christkind zog den weißen Bart von Nikolaus aus seinem Dekolleté, gähnte herzhaft und murrte: “Das sach ich schon seit einer Stunde, komm Alter, nach dem Gefummel brauch ich das jetzt oder mindestens ein Bett unter dem Hintern”. Es kreischte gackernd auf, als auch Nikolaus ihrem Hintern Respekt zollte und sich ächzend erhob, die Last der 1700 Jahre in den Knochen. “Also denn,in einem Jahr, in alter Frische, dann geht der Scheiß wieder von vorne los”.
Das Christkind bekam große Augen und sprach: “Nein, heute lieben wir uns, wir zwei und Martin Christiane auch, den lieben langen Tag, samt der heiligen Nacht “. Der Nikolaus vergaß weiter zu grinsen und bekam Augen, wie vor 1800 Jahren, in Erstaunen aufgerissen und hörte weiter zu. ” Diese Liebe geben wir dann weiter, feucht, heiß, urmenschlich und deshalb göttlich, endlich mal göttlich und alle geschlechtsreifen Menschen werden sich lieben wie wir , in dieser heiligen Nacht”. Martin wollte laut lachen, bis ihm das Bild immer mehr gefiel und er ihm verfiel.
Nikolaus dachte nur kurz an den Chef und dann an die kommende Nacht. Und die vielen Menschen, die sich lieben würden. Es würde ein schöner heiliger Abend sein, der beste, seit 1000 Jahren. Er betrachtete voller Achtung dieses Christkind 2024 und bestellte zum Abschluss noch eine Runde roten Secco aus Lützelsachsen. Stumm stießen sie an und wussten, dass die restlichen Jahre hier vergnüglicher sein würden. St. Martin hatte den Verdacht, dass der Alte sehr wohl Bescheid wüsste, wenn er sich so das Christkind ansah. Und prompt zwinkerte es ihm zu und sang ganz leise “Halleluja alle Welt , liebt euch ihr Christen aller Orten, Gloria in exelcis…”
Josef, dem Wirt vom Beichtstuhl wars auch so recht, der Umsatz würde auch mit Secco stimmen und er betrachtete zum ersten mal seine schon ältere Nacht-Bedienung mit neuen Augen und freute sich auf morgen, auch wenn er weder an das Christkind samt den anderen zwei glaubte. Maria schaute ihm mit Augen, die schon so manche Auferstehung sahen, in die seinen, bis alles weihnachtlich erstrahlte.