Jubiläum

Mein Beitrag zur #Spätlese 50, der Jubiläumsspätlese.

Als mich der Newsletter von Angela Wendt erreichte, um mich zur Jubellesung #spätlese50 hier ins Theater Felina-Areal einzuladen, saß ich des Abends dann genau dort um die Feierlichkeiten rund um die Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundert Jubiläum“ der Kunsthalle Mannheim mit “Tanz Puls Rhythmus Metropolis” zu feiern.
Ich berichtete.

Sachlich: 100 Jahre Neu

1925 zu Ehren. Da wusste ich während all der Charlstons was ich lesen wollte. Zwei Stück. Mindestens. Erstens.

Jubiläum
(Zu meinem 50igsten)

den grossen Zeh schonmal
in die Ewigkeit getaucht,
noch als unreif empfunden,
lach ich dem Leben
noch ein paar Tage ab.

Ich hatte noch soviel im Kopf. 1925 erschien nicht nur „Mein Kampf“, niemand nahm es Ernst, und 8 Jahre später… ihr wisst schon. Aber auch Carl Zuckmayers „Der fröhliche Weinberg“ hatte 1925 Premiere. Ein Stück, das mich inspirierte, in all meinen Stückchen (und mehr) auch meine Mutter-Vater-Sprache zu benutzen. Zuck hatte das Stück in unserem Nachbardialekt „Rhein-Hessisch“ geschrieben. Die Meenzer werden in ihrer Fasenacht das auch 2025 wieder helauen. Wird heute auf professionellen Bühnen nicht mehr gespielt. Welcher Intendant würde sich trauen eine Szene zu zeigen, wo eine schweinische Hausschlachtung vorkommt? Egal. Der Weinberg landete viele Skandale, hatte Zuck doch Klarnamen aus seinem Heimatkaff Nackenheim verwendet und die Corpsstudenten verhohnepiepelt. Aber neben der „Drei-Groschen-Oper“ von Weill/Brecht war es das meistgespielte in dieser Zeit. Zeit. Genau das war und blieb mein Sujet.

Für mein Stück „Singe beim Babbln“ schrieb ich zu meinem 30igsten Geburtstag:

Isch heb ko Zeit

Zeit hewwisch noch net emol
fo e Tass Kaffee moieds
ach du liewi Zeit
wu soll isch disch blouß hänemme

un owends beim Fernsehn schlof isch oi
isch hebb soga ko Zeit zum schlofe

zum Esse ko Zeit un wä trotzdem fett
zum Liewe ko Zeit un drei Kinna am Hals
du liewi Zeit
wu soll isch disch blouß hänemme
fa die Ferz
ja Vernema Ferz
was war’s schee
in de gude alde Zeit

monschmol hewwisch soga ko Zeit me
fa uf die Uhr zu gugge
un donn vageitse
die Zeit, wie nix
wie wonn isch se all het
moi Zeit schtele se ma
Geld un moi Zeit
un donn schteit se schtill die zeit
vo de Ampel

wonn ma se om wenigschte hod
donn schteit se
wonn ma waade muß
donn rast’se
wie de Tacho
un die Bump alle Daach
un im Steschschritt domols
isse imma rum gonge
die Zeit

Eins, zwei drei
schön gleichmäßig
gleichmäßig gleich
so lieb ich’s im Takt
ich halt euch im Takt
im Sekundentakt
ich halt euch in Trab
in Trab und Takt
Trab, Trab, Trab
Gäülsche gei Galopp
Trab..

Und weiter durch die Datenbank mit dem Wort Zeit:

ante natum

am tage vor meiner geburt
ante meum natum
AMN
vorgebürtlicher Zeit
endete
ein grosses
zeitalter
alter

alter
die zeit
ohne mich
ein schlag
ein schrei
und die
welt
war
nicht mehr
wie vorher
denn ich erschien

zeit banalitäten

3 stunden gekocht
10 minuten gegessen
2 wochen geschrieben
2 minuten gelesen
10 minuten extase
18 jahre erziehung
alles so banal
und :
auf keine sekunde verzicht ich
nie

Tageszeiten

Nacht

unter dem Dach der Ängste
aßen wir fröhlich, ruhten,
dröhnten die Augen nach innen.
Bedrückt bestiegen wir Dächer,
schwebten auf Ängsten,
liebkosten, verzückten sie
zu Kathedralen aus Schatten,
die im Kerzenlicht flattern
wie mein Herz und dein Haar.

Morgen

Leise wieg ich kleine Nebel,
fange Tropfen im blauen Glas,
bereite dir daraus
Kaffee in Saus und Braus.

Mittag

Ein Lachen dröhnt aus meiner Oboe
du spielst laut und rasend Flöte.
Kleine Noten hüpfen über Blätter,
werden schneller, immer schneller
ein Crescendo aus Lauten,
von Dir zu mir.

Abend

dämmerlich schmieg ich
Hände in deine,
verschränke Finger
zu Figuren aus
Trau mich Traum

Es wird wieder versucht, obwohl alles abgeschaltet ist. Äonen dieses mal.

Höllenverfassung

In der Hölle gab es Entlassungen.
Man stellte zurück auf nukleares Feuer.
135 Teufel aus den Feueröfen wurden gefeuert.
2 ehemalige Untererzengel waren auch dabei,
dem Chef seit der Paradieszeit verbunden,
sie schrubbten schon seit 50 Äonen Ruß.
Das Öl vom Irak bis nach Egyptland brannte.
Der CEO Teufel trat mit dem Klumpfuß zurück,
Satan frass den Aufsichtsrat und dann sich.
Die Hölle übernahm kurzfristig
Erzengel Michael, Gabriel lauert noch.
Es werden noch Menschlein gesucht fürs
Brennstäbe ficken

in den guten alten zeiten

die heldinnen aus 20 kriegen
erschossen die götter
beider seiten
tanzten den frieden
gebaren helden
aus glück

juliaugustus

die zwei caiser imperatoren
julius augustus, ave kaesare, salve
den kalender besetzend
diese ewigen krieger
in bester ferienzeit
ich weiss, besser als
franz oder willem
aber könnt’ man vielleicht
ernst-kevin oder maike-zitata
oder margot und jo-kurt
irgendwas ohne krieg und papst
in diesen unseren sommern
nach 2000 jahrn ?

Unter der Zeitdusche

fließen Sekunden
tropfen Minuten
meinen Stunden entlang
Im Wind meiner Gedanken
getrocknet gesalbt
lieb ich Deinen Augenblick

Im Ohr der Zeit flattern Gebete
unlängst zerhasster Götter
die pflück ich Dir
falls Deine Götter wieder hungern
Wir singen Altäre
vasen Blumen zu Glück
Im Ohr der Zeit
spinnen wir
verwoben

Da war noch mehr. Aber was tu ich denn hier? Sentimentales Remebern? Muss nicht. Für mich wird es Zeit. Ich werde hier, bei der Spätlese nicht mehr lesen. Just for Fun. Vielleicht zuhören, manchmal. Ganz undramatisch.
Ich habe auf dem Bauernmarkt in Viernheim 2 Spätlesen fa dehoam gefunden. Die möchte ich Angela und Sascha hier lassen. Als Dankeschön. Denn selbstverständlich ist das Engagement für eine offene Lesebühne nicht.
Doch.