Da sitz’ ich im Tempel der Buchdruckkunst und lese aus einer gedruckten Literaturzeitschrift, in einer Stadt, die fast einmal meine war, dort, wo man schon ‘mal den Dom zwei mal hundert jährig feiert.
Und es juckte unter den Fingern Gedichte zu schreiben wie dieses in diesem Buch , dass ich balanziere oder bilanziere, wie hier aber ich war eingeladen. Ich, der Elektrobüchler aus dem Netz, der es nicht erwarten kann, wann die Geräte zum lesen meiner eBooks zur Massenware werden. In einem Gebäude, über dessen Eingang ein germanisch – römischen Kaiser thront, den abgeschlagenen Kopf seines Feindes, samt dessen Gemächt, zu seinen Füßen. (Das hab ich jetzt sehr dezent erzählt, oder?) Um die Ecke der Dom, mit diesem Kopf-Präsentator im Kreuzgang. Aber niemand wollte mir etwas, es sei denn Gutes. Das hat was auf einer Nicht-Guckkastenbühne zu lesen, von Powerpoints umgeben, das abgedunkelte Publikum im Visier. Alles professionell gemanagt, mit dem berühmten Augenzwinkern, keine künstliche Besteifung der Künste. Ein Projekt, wie ich es mag.
Ganz junge, noch tapsende Kunst, mit Wort versehen und ausgestellt, ich berichtete bereits. Und dann win-win-win. (Nicht ganz zufällig trägt mein Gedicht „win-Dows“ im Namen.) Junge beinahe-schon-Künstler werden in bekannter Umgebung ermutigt, ältere Autoren und Verlags-Herausgeber rücken ihre Künste ins rechte Licht, die Museums-Leiter und die fleißigen Drucker können ihr hübsches Haus den Vorgesetzten präsentieren, die Kulturoffiziellen einmal entspannt in ihrem Haus repräsentieren ohne zu inspizieren,
und wenn die Jungs vom Wahlkreis schon ‘mal künstlerischen Putz in der Hauptstadt machen, dann darf der Landesvater natürlich nicht fehlen und durch körperlichen Einsatz die gute Sache unterstützen, nein, wer denkt denn jetzt schon an den Wahlkampf im März. Doch, ich fühlte mich wohl dort, entspannt.
Schon die Einladung zu der Sache durch den Herausgeber via Twitter, war ganz nach meinem Geschmack. Kein Getue um das Web 2.0, sondern einfach das Nutzen, der Spaß am Schreiben, auch wenn es nur 140 Zeichen sind, ABER, dann das sanfte Gleiten ins Radikalreale, in die sinnliche Welt des Anfassens, des Begegnens und wieder zurück. Kein Gequassel über „digital natives vs. residents“, das war an dem Abend mit den jungen Druck-Künstlern sowieso eher umgekehrt. Über allem hing ganz sanft die rheinhessisch-pfälzische Dialektwolke, die wie immer wärmte. Doch das war ein schöner Abend da in Mainz. Ich bedanke mich bei Frau Sachi Tschakert, der Leiterin des Buchladens des Gutenberg-Museums, den jungen Künstlern des St. Katharinen Gymnasium Oppenheim mit Lehrerin Gudula Kirschsiefen und vor allem den Mitlesenden Autoren Eva Wal und Christoph Köhler,
den Initiatoren, Herausgebern und Schreibern der Wortschau Peter Reuter und Wolfgang Allinger, dem Designer des Ganzen Thortsen Keller und Frau Claudia Rösner, deren Pianola in die Ecke gedrückt war, und jetzt hab bestimmt wen vergessen. Aber ich wollte ja eigentlich noch etwas bedeutendes sagen… Doch. In diesem Tempel der Buchkunst am Altar des Druckstockes dachte ich an dessen Freiheit. Die Freiheit des Druckes. Wie die Fotografie der Malerei die endgültige Freiheit schenkte, in dem sie Dokumentation und alltägliche Darstellung übernahm, so werden die digitalen Medien dem Buch- und sonstigem Druck als reiner Datenträger ablösen und die Freiheit der Kunst schenken. Natürlich wird es weiter Bücher geben und andere Drucklegungen. Aber nicht mehr als Massenware für die Antiquariate, sondern als Kunst. Doch. Das wird so kommen. Und natürlich gibt es dann noch mehr Crossover. Bedeutend, oder? Der Balanziergang hat erst begonnen. Doch. Wir waren am Anfang ‘mal mit dabei….
Und solange ist Party, was sonst.B)
[update: das waren übrigens meine live-Tweets gestern, bevor ich fast kein Netz mehr hatte]