Betriebsbedingt

Sie kehren überall, sie streichen Mauern, sie bepinseln ihre Maschinen, sie machen alles, nur nichts produzieren. Sagen sie, berichten sie, wissen sie.

Den Scheiß, den wir produzieren will keiner mehr, so scheint es, keiner will ihn kaufen. Keiner braucht ihn auf einmal mehr. Den von der Konkurrenz auch nicht und selbst die Protzkarren, aus dem Edelkonzern flussaufwärts, in den Rost entlassen, bohren mit den Kotflügeln auf den Halden nach Pöbel. Die Pseudo-Staatskarossen, deren Gedröhn sonst den Männer die Gehirne vernebelt.
Und hier wie dort und hinieden, kehren sie und schmieren ihre Angst mit den Pinseln durch die Farbe auf die Maschinen und die Produktionshallen, schöner arbeiten tönt es aus allen Rattenlöchern, sauber sollst Du sein und sicher.
Aber keiner kauft uns mehr den Scheiß ab, den wir in unzähligen Qualitätszirkeln zu tote prüfen, liebevoll verpacken und mit Logos zieren, hei das Logo ist das wichtigste, das Logo, logistken, verfrachten, bewerben, public relaten.
Niemand kauft mehr etwas,

nur die Zocker an den Börsen grölen und nein, keiner will ihnen die Eier abschneiden, obwohl, nein WIR sind nicht so, wir sinken nicht auf deren gierg-geiles Niveau. Wir werden uns ein wenig besaufen, wie immer und uns höchstens gegenseitig, im Suff, die Fressen polieren und um die Arbeitsplätze mit Herrschaftswissen konkurieren, die Seilschaften erneuern, wer kennt schon wen, vielleicht auch zu Hause die Kinder zerquengeln und die Frauen benölen.
Und dann werden wir Fußball gucken und die Schiedsrichter vermöbeln, die Fans vom Club der Nobelprotzen, die vom Konzern gesponsert werden, dort am Oberlauf des Flusses, dessen Autos auch keiner mehr will, diese Scheißautos, die der Pöbel in den Werkhallen baut, die könnten doch wissen, dass dieses Scheißkarossen keiner mehr will, dieser Pöbel dort unten, der viel zu viel verdient, wie wir auch, wir Lohnkostenverursacher, die wir Scheiß produzieren, den keiner mehr will, wir müssten das doch wissen und vielleicht anderes machen, tun, sortieren, qualitäten, zerforschen, bezählen, verwalten, in Kostenstellen sperren.

Und dann kommt die Betriebsbedingt, die selige, alles wissende Mutter, die Betriebsbedingt. Die Furie, das Arschloch. Die Betriebsbedingt, die uns kündigt, raus schmeißt, entlässt, weil wir diesen Scheiß produzieren, den niemand mehr will, wie die Protzautos auch, obwohl sonst doch das Dröhnen der Motoren den Herren in die Eier röhrt, auch die am südlichen Fluss zusammengestöpselten wird es noch treffen und auch wir werden bald keine Hemdchen für die Blößen mehr kaufen und keine Computer oder Bücher, noch Schüchen fein für der Damen Füßlein, weil die Betriebsbedingt uns alle zerkündigt, zerlegt, bestraft, weil die Zocker an den Börsen und den Bankenkasinos unseren Scheiß verhöhnen, den wir produzieren und den keiner mehr will. Zurecht hetzen sie bleckend die Betriebsbedingt auf uns, die Zocker, die Macher, denen wir NICHT die Eier abschneiden, zu was auch, WIR sind ja nicht so.
Wir werden unsere Ohren mit dem Rap der Volxmusik verstopfen, damit wir das gurgelnde, silberhelle Gelächter der Zockerklasse nicht hören, denen wir keine Eier abschneiden, obwohl, nein wir Volker doch nicht, wir sind doch staatstragend ruhig.
Wie immer werden wir den Geldbeutel öffnen und der Betriebsbedingt klaglos folgen. Wir haben ja Unterhaltung und das Fernsehen überall und dort läuft auch Fußball und Deutschland, Deutschland, Deutschland, Broussia, Broussia.

Genau das würde er so gerne sagen, schreien, singen, tanzen im Stakkato auf das Lesepult trommeln. Statt dessen begann er die Andacht, die Messe, den industriellen Gottesdienst mit den rituellen Worten: „Kolleginnen und Kollegen“ und nur Kollegenkollegen“ überlebte sein Murmeln, „ich begrüße Euch zu dieser außerordentlichen Betriebsversammlung“. Der Abgesandte der Gewerkschaft stöhnte innerlich, war er doch auch nur Angestellter, der Belegschaften eben. Tarife, Tarife sah er wachsen und die Betriebsbedingt damit umgarnen. Tarife, tarife hingen von den Decken und verscheuchten die Angst unter die Röcke der Frauen, deren Schenkel bibbernden, weil sie die Betriebsbedingt noch besser kannten und Bruno begann zu sprechen: „Kolleginnen und Kollegen!“