Workshop
»Über eine Aufführung sprechen«.
Bürgerbühne des Nationaltheaters Mannheim.
Dieser Workshop lädt dazu ein, sich darin zu üben, möglichst präzise über Theater zu sprechen.
Anhand von : Die Ehe der Maria Braun/Draußen vor der Tür von Rainer Werner Fassbinder/Wolfgang Borchert. Details siehe hier.
Seit Wochen tanze ich um das Theater herum und kann mich nicht entscheiden, einfach hinzugehen. (Siehe hier und hier und hier.) Einfach ans Kassenhäuschen gehen und fragen, ob ‘was für später frei ist. Wie früher. Aber ich kann mich nicht überwinden. Und dann auf Facebook der Hinweis auf diesen Workshop. Mein inneres Dauerthema! Wie spricht Amateur über Kunst, Kultur, eventuell gar mit Künstler, Macher?
Da steht zwar Bürgerbühne, normalerweise meide ich Dinge, auf denen Bürger steht. Meist will man dann etwas von mir. Geld, meine Stimme, mich hinter Burgmauern zwängen, aber im Werkhaus wird das wohl gehen.
Genau das war meine Stimmung. Mal gucken, was die Macherinnen so machen. Und es wurde ein sehr lehrreicher und amüsanter Workshop. Amüsant, weil die Dramaturgin und Workshopperin so herrlich intensiv überfloss in ihrer Liebe zum Theater, ihr Wissen teilte und sich dann immer wieder auf Kurs zwang, dass wir uns präzise über Details unterhalten, distanziert über Licht, Klamotten, Szenen zu sprechen und doch verfielen wir immer wieder ins große Ganze, der Theatergeschichte, der Gesamtmeinung, um zu merken, dass Theaterbesprechungen vor allem eines sind: Gedächtnisübungen. Kein Rückspulen, kein googeln und alle et ceteras.
Seltsam für mich, eine Veranstaltung zu besuchen, die im Social Web zwar angekündigt aber nicht besprochen war, ohne Twitterer, ohne Facebook.
Über „Mr. Bill“ wollten wir sprechen, zuförderst. Den amerikanischen Liebhaber der Maria Braun.
Ich staunte, wie weit die Meinungen auseinandergingen, was gut so war. Viellfältig in Ablehnung bis Begeisterung.
Kann ich jetzt besser über Theater sprechen? :) Nein. Doch. Lust auf Fortsetzung hätte ich jetzt. Sprechen über Theater. Jawoll, jenseits des Smalltalks beim Sekt und nicht von der professionellen Kritik am Nasenring gezogen. Doch, hat Spass gemacht.
Was war denn dann lehrreich? Nicht der Faßbenderfilm. Obwohl ich schon staunte, dass der Skandal um den „Mr. Bill“-Darsteller Günther Kaufmann schon soweit vergessen war. Kurioserweise ging er ja (wahrscheinlich) für seine Frau ins Gefängnis, wie Herrmann Braun im Film.
Aber dann die Aufführung! Ich lernte etwas über das Theater. Theater als selbstständige Kunstform, die sich von der literarischen Vorlage emanzipiert hat. Ein dauerndes Mashup. Und ich konnte das sogar genießen. Obwohl mich genau das einst aus den Theatern trieb. Ich kann das auf einmal genießen. Manchmal bestaune ich mich von innen schon…
Und da waren:
(Ich möchte nicht zu viel spoilern, das Stück läuft auch noch in der nächsten Spielzeit.)
Die offene Drehbühne als Filmersatz, grandios. Ein Haus, das gebaut wurde, wortwörtlich, die Filmvorlage eingedampft zu einer Stunde, was der Story sehr gut tat. Der Mord fand nicht statt und die Radioeinlagen von dem Wunderbern war auch weg. Eine neue Geschichte, mit Liebe zum Detail. Für mich wurde das Nachkriegsgefühl besser dargestellt als im Film. Faßbender erzählt aus der Sicht des deutschen Herbstes, eher eine Tirade über die Ehe als solche und die Verfehlungen der Politik im kalten Krieg des Jahres 1979.
Das Theater machte aus einem Film Theater und aus einem Theaterstück ein Film.
Bei Maria Braun kokettiert die Regie eindeutig mit dem Film, in der Projektorszene zitiert sie ihn sogar direkt, deutet an, spielt und das mit „in die Kiste steigen und mit dem Deckel Sex dasrtellen“ war unnötig, platt, doch, sonst aber fast alles vom Feinsten. Die Szene zum Beispiel, als Maria Braun ihren ersten Vertragsabschluss erschläft, als Porno-Parodie fast gerappt, bis sie das „Fuck me“ brüllt, war eine große Idee.
Schauspieler, die Hand anlegen beim Szenenumbau, Techniker live auf der Bühne, zu erkennen an den Sicherheitsschuhen :). Transparente Bühne, wie ich das liebe.
Draußen vor der Tür als Fake-Nico-Hofmann-Film, auch eingedampft zu erträglicher Monologlänge, unexistentialistisch, zu einem großen Teil als Film auf die Bühne projeziert, als unechtes Playback, Chöre, Schlagwerknummern und doch alles mit Respekt vor dem großen Text von Borchert.
Ein Beitrag der Mannheimer Traditionsbühne zur gesellschaftlichen Diskussion über die Darstellung von „Aufarbeitung“, eine klare Absage an die seichten, geschichtsverschönenderen Peinlichkeiten des Mannheimers Nico Hofmann.
Theater kann doch noch etwas. Doch. Es ist entmystifiziert, ohne die Empathie zu verlieren, im Gegenteil. Der Autor ist nicht mehr einsames Genie, sondern Teil einer Arbeitsgemeinschaft, die Kunst auf die Bühne bringt, Theater. Obwohl just an diesem Sonntag die FAZ/FAS (hier online) das Theater als “den himmlischen Abhub der „unbegreiflich hohen Werke“ ” fordert, kann sie behalten. Dann doch lieber Bürgertheater. Was heißt doch? Doch, eben.
Und wer dieses Blog kennt, weiß was jetzt kommt. Sprechen über Kunst, Kultur, hier Theater, heißt für mich sprechen über das, was in mir ausgelöst wird, ob es mich erreicht, wie es mich erreicht. Es ist mir zunächst vollkommen egal WIE Kunst das macht, welche Pinsel da welche Technik ölt, wie der Schauspieler mein inneres Lächeln erzeugt. Ersiees haben es gelernt, ich nicht, das pinseln und tänzeln.
(Nächtens in die Hitze geschrieben, das Theater war schon vewaist)
Mashup
Wie ich es hasste
wenn sie vom Spieß
grölten nach dem 3. Bier
auf den Nierentisch
hieben und was sie
für tolle Hirsche waren
beim Adolf und die Toten
weinten auf ihren Feldern
die vom Verein pflegen sie
doch Es roch nach Scheibletten
und stramm war der Max
auf Käseigeln zu Eierlikör
und damals in Bern
sangen wir aus Trotz
aus Trotz weil wir uns
nicht trampeln lassen
laut die erste Strophe
Zuhören hätten wir
sollen und nicht wegrennen
zu Elvis und AFN
Zuhören und nicht selber
vom Spieß erzählen
in den gleichen Kasernen
bei unserem kalten Krieg
(Zu Borchert schrieb ich ja gestern schon.)